Plenumsrede zu Protokoll: Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen -Verflechtung zwischen den Behörden und der Agro-Gentechnik-Industrie beenden und wissenschaftliche Grundlagen verbessern (16/9314) & Gentechnikfreie Regionen stärken – Bundesregierung soll Forderungen aus Bayern aufnehmen und weiterentwickeln (16/10202); 04. Dezember 2008, TOP 14
Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste,
die Agro-Gentechnik polarisiert. Dass gentechnisch veränderte Pflanzen ungeklärte Risiken bergen, ist kaum ernsthaft zu bestreiten. Koexistenz – also das Nebeneinander von gentechnikfreien und gentechnisch veränderten Pflanzen – ist auf Dauer unmöglich. Das besorgt viele Bürgerinnen und Bürger und muss ernst genommen werden.
Eine Möglichkeit sich dieser Sorge entgegen zu stemmen sind die vielen aktiven Bewegungen vor Ort. Es gibt Widerstand nicht nur aus gentechnikfreien Kommunen oder Kirchen, sondern auch durch die gentechnikfreien Regionen. Das Netzwerk der Gentechnikfrei-Bewegung wird immer stärker und breiter: Bäuerinnen und Bauern, Imkereien, Ärztinnen und Ärzte, Vertreterinnen und Vertreter des Lebens- und Futtermittelhandels, von Saatgut- und Verarbeitungsunternehmen, von Bioverbänden, Bildung- und Kultureinrichtungen, von Medien, Politik, Verwaltung, Natur- und Umweltschutz, Organisationen aus der Entwicklungszusammenarbeit und Kirchen. Sie alle arbeiten zusammen, um den unschätzbaren Wert der gentechnikfreien Landwirtschaft zu erhalten und die Verunreinigungsgefahr, die von der Gentechnikindustrie zumindest in Kauf genommen wird, zu unterbinden.
Die öffentlichkeitswirksamen Erfolge der ersten beiden Gentechnikfreien Regionen Warbel-Recknitz in Mecklenburg-Vorpommern und Uckermark-Barnim in Brandenburg waren Anfang 2004 die Initialzündung. Viele Initiativen wurden anschließend aktiv und gründeten gentechnikfreie Regionen. Deutschlandweit gibt es nun 105 gentechnikfreie Regionen. Dort engagieren sich über 22.000 Landwirtinnen und Landwirte. Das sind über 770.000 Hektar gentechnikfreie landwirtschaftliche Nutzfläche.
Hört sich ziemlich stark an. Erst Recht verglichen mit den lediglich 3.200 Hektar, die in diesem Jahr mit der gentechnisch veränderten Maislinie MON 810 bestellt worden sind. Tausende Aktive stehen sogar weniger werdenden Landwirtschaftsbetrieben gegenüber. Doch der Schein trügt. Wie so oft hängt die Aktivität jeder gentechnikfreien Region vom Engagement weniger ab. Bei uns in Brandenburg ist die gentechnikfreie Region Teltow-Fläming so ein positives Beispiel. Doch auch hier ist der Motor ein einziger Bauer und seine Frau.
DIE LINKE fordert bereits seit Langem, dass die vielen gentechnikfreien Regionen unterstützt werden, weil sie im Interesse der übergroßen gentechnikskeptischen oder -ablehnenden Mehrheit handeln. Wenn wir wollen, dass sich Regionen selbstbestimmt und selbstermächtigt entscheiden können, brauchen sie einerseits einen klaren rechtlichen Status und andererseits eine finanzielle bzw. strukturelle Unterstützung. Nur wenn die Koordination mehrerer gentechnikfreier Regionen z.B. über Landesmittel finanziert werden könnte – selbstverständlich mit Ausschreibung für eine unabhängige Koordination – haben die aktiven Landwirtinnen und Landwirte vor Ort die Möglichkeit, mehr politisch und weniger organisatorisch für ihre Interessen arbeiten zu können. Zivilcourage und ehrenamtliches Engagement wird von der Politik immer wieder gefordert! Hier könnten wir es unterstützen. Ganz konkret!
Doch wie sieht die Wirklichkeit aus? Die SPD ist dafür. Die CSU mehrheitlich auch. Die Grünen und wir LINKE sowieso. Aber eine Mehrheit kommt wohl trotzdem nicht zu Stande.
Wieso? Frage ich mich.
Was befürchten die Befürworter der Agro-Gentechnik eigentlich, wenn sich die Menschen, die diese Risikotechnologie kritisch bewerten, gegen sie schützen können? Warum sollte die Politik an dieser Stelle bürgerschaftliches Engagement behindern anstatt es zu unterstützen? Oder stecken doch wieder handfeste wirtschaftliche Interessen dahinter, die aber nicht die Mehrheitsinteressen sind?
Wir haben drei konkrete Forderungen:
1. Die Bundesregierung muss sich auf europäischer Ebene konsequent für eine Möglichkeit einsetzen, rechtlich verbindliche Beschlüsse zum GVO-Anbau in den Regionen treffen zu können. Jede Region, jeder Kreis und jede Kommune sollte selbst entscheiden können, ob sie sich auf das Risiko Agro-Gentechnik einlassen will oder nicht.
2. Die Bundesregierung muss im Gentechnikgesetz bzw. in der zugehörigen Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung verbindliche Abstandsgrenzen zu gentechnikfreien Regionen festlegen, um wenigstens das Verunreinigungsrisiko durch Pollenflug oder -verschleppung durch den Wind, bei der Ernte oder beim Transport zu vermeiden.
3. Die Landesregierungen sollten die gentechnikfreien Initiativen und Regionen strukturell-finanziell unterstützen. Noch bevor es auf europäischer Ebene zu einer Entscheidung kommt, könnten die Bundesländer aktiv werden. Denkbar wäre beispielsweise die Finanzierung einer unabhängigen Koordinierungsstelle.
In diesem Sinne stimmen wir dem Antrag der Grünen zu.
Über den zweiten Antrag der Grünen, in welchem Verflechtungen zwischen den Behörden und der Gentech-Industrie beschrieben werden, wurde bereits mehrfach öffentlich debattiert. Die TAZ titelte dazu "Der deutsche Gentech-Filz". Im Prinzip ist dazu nichts mehr zu sagen. Es ist ernüchternd, dass solche Situationen überhaupt möglich sind.
Jetzt ist Zeit zu handeln: Die Bundesregierung muss – wie im Antrag gefordert – jede Verflechtung zwischen den Behörden und Lobbyverbänden transparent machen. Natürlich dürfen sich auch Behördenmitarbeiterinnen und Mitarbeiter ehrenamtlich engagieren, aber wenn sie an einer solch zentralen Stelle beschäftigt sind, dann sollte das zumindest öffentlich bekannt sein. Durch Transparenz würde einiges Misstrauen von Gentechnikgegnerinnen und Gentechnikgegner abgebaut werden.
Sowohl in Deutschland, als auch auf EU-Ebene brauchen wir ein endlich wirklich transparentes, wirklich demokratisches und unabhängiges Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Organismen (GVO). So lange es so bleibt, wie es aktuell ist – nämlich das genaue Gegenteil davon – dürfen keine weiteren GVO zugelassen werden. Daher unterstützen wir die Forderung nach einem Moratorium. Auch dieser Antrag findet unsere Zustimmung.