"Der 1996er Beschluss zur Schließung der leistungsfähigen Wissenschaftseinrichtung zur angewandten Tierseuchenforschung in Wusterhausen/Dosse und seine Verlagerung an den Hauptsitz des FLI auf der Insel Riems vor Greifswald war schon damals ein katastrophale Fehlentscheidung, deren Korrektur damals auch die oppositionelle SPD gefordert hat. Der Umzug, der Ende 2013 nach Abschluss der Baumaßnahmen am Standort Insel Riems abgeschlossen sein soll, ist unterdessen aus meiner Sicht noch falscher geworden als er es 1996 bereits war.
Begründung:
1. Nach MKS, Schweinepest, Vogelgrippe, Blauzungenerkrankung, Rindertuberkulose und Nordamerikanische (Schweine-) Grippe ist das offensichtlich, wovor schon lange gewarnt wurde: Infektionskrankheiten sind zur existenziellen Bedrohung nutztierhaltender Betriebe geworden, nicht selten verbunden mit einem Gesundheitsrisiko für Menschen. Gerade deshalb ist die wissenschaftliche Beratung für politische Entscheidungen von wachsender Bedeutung! Ein Zentrum für Tierseuchenbekämpfung wäre also die passende Antwort. Stattdessen soll das einzige Institut, das sich ausschließlich mit dieser angewandten Forschungsrichtung beschäftigt, an einen für diese Arbeiten wenig geeigneten Standort am Rande des Landes verlagert werden. Für Einsatzgruppen, die zum Beispiel die Ursachenermittlungen im Tierseuchenfall unterstützen sollen, wird der Weg zu den bundesweiten Einsatzorten extrem länger als vom vergleichsweise logistisch zentral liegenden Wusterhausen.
2. Offizielle Begründung damals: alle Institute des FLI sollen an einem Standort zentralisiert werden. Das FLI wird aber in Zukunft mindestens 3 Standorte haben.
3. In Wahrheit sollte mit den Standortschließungen vor allem Personal abgebaut werden. 1.000 Arbeitsplätze auf jetzt ca. 2700 wurden im Agrarressortforschungsbereich, der dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zugeordnet ist, seit 1996 abgebaut. Weitere 350 sollen in den nächsten Jahren noch gestrichen werden. Dieser Aderlass hat in der Summe dazu geführt, dass in dem Forschungsbereich eine ganze Wissenschaftlergeneration keinen Zugang hatte!
4. Viele der in Wusterhausen Beschäftigten haben nur die Wahl zwischen Pest oder Cholera: wenn sie mitziehen, haben die Partnerinnen und Partner ein hohes Arbeitslosigkeitsrisiko. Wenn sie bleiben, werden sie selbst mit hoher Wahrscheinlichkeit arbeitslos.
5. Strukturpolitisch ist das Wegbrechen dieser wichtigen qualifizierten Arbeitsplätze, die vor allem von Frauen besetzt sind, eine Katastrophe.
Es gibt also viele Gründe, die 1996er Entscheidung ernsthaft zu überdenken. Leider wurde die Forderung der LINKEN, dies 2007 im Rahmen der Diskussionen zum Neuordnungsgesetz für die Agrarressortforschung verweigert. Minister Seehofer antwortete auf meine Frage: "Altfälle werden nicht neu aufgerollt." Im Gegenteil: es wurde die Schließung eines weiteren Brandenburger Agrarressortforschungsstandort beschlossen, des Instituts für Forstgenetik und Forstpflanzenforschung in Waldsieversdorf (Barnim). Die Landesregierung hat keinerlei Widerstand erkennen lassen.
Vor diesem Hintergrund hat DIE LINKE Ende Mai einen Antrag zur Krise in der Agrarressortforschung in den Bundestag eingebracht, mit dem sie unter anderem eine Evaluierung der sozialen und fachlichen Folgen der Standortschließungen im Agrarressortforschungsbereich seit 1996 fordert sowie die Vorlage einer Kosten-Nutzen-Rechnung für die noch geplanten Standortschließungen. Solange diese Analyse dem Bundestag nicht zur Beschlussfassung vorgelegt wird, sollen mit einem Moratorium weitere Standortschließungen ausgesetzt werden. Die Reden der Fraktionen zur 1. Lesung dieses Antrags am 29. Mai liegt ebenfalls der eMail bei. Sie lassen erkennen, dass außer der Union alle anderen Fraktionen mehr oder weniger den Handlungsbedarf bei der Agrarforschung anerkennen.
Dieser Antrag wird am kommenden Mittwoch, den 17. Juni 2009, im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, diskutiert und abgestimmt. Die aktuelle Situation zeigt, wie zwingend dieser Antrag ist!
DIE LINKE bleibt an der Seite der Belegschaft in Wusterhausen/Dosse und wird alle Möglichkeiten ausschöpfen, die falsche Entscheidung zur Standortschließung zu revidieren. Das gilt auch für Waldsieversdorf."