Sehr geehrte Frau Präsidentin, Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Es gab nicht viele Beispiele für einen derart geschlossenen inner- und außerparlamentarischen Protest gegen einen Verordnungsvorschlag der EU-Kommission wie vor einem Jahr gegen den Entwurf einer neuen Verordnung zum ökologischen Landbau. Dieser Protest hat zu Veränderungen geführt, die auch für deutsche Bio-Bäuerinnen und -Bauern sowie Verbraucherinnen und Verbraucher tragbar sind. EU-Verordnungen müssen auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Der hier vorliegende Gesetzesentwurf dient der Umsetzung der neu gefassten EU – Verordnung zur Kontrolle und Kennzeichnung von Ökoprodukten.
Dass die EU-einheitliche Kennzeichnung von Ökoprodukten auf das Jahr 2011 verschoben wird, kann man bedauern. Aber es ist immer noch die bessere Entscheidung angesichts der Situation, dass es noch immer kein einheitliches Siegel gibt, das in der Lage ist, die Kriterien in Sachen Verbrauchervertrauen und Erkennbarkeit zu erfüllen. Die Kommission hat nun vorgeschlagen, der Entwicklung eines Siegels mehr Zeit zu geben und diese mit einem EU-weiten Wettbewerb zu verbinden. Wir werden darauf achten, dass das dann auch zu einem akzeptablen Ergebnis führt. Der Markt für Ökoprodukte boomt. Über die vergangenen Jahre konnten zweistellige Zuwachsraten im Verbrauch registriert werden. Es gibt hierzulande unterdessen kein Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel mehr, das nicht Ökoprodukte anbietet. Das ist durchaus eine erfreuliche Entwicklung und widerspricht so mancher Behauptung, den Menschen wäre es letztlich egal, was sie essen, Hauptsache es ist billig. Wobei die allgemeine Armutsentwicklung die Entscheidungsspielräume vieler Menschen deutlich einschränkt.
Dennoch ist es Realität: Nicht zuletzt aufgrund eines staatlich anerkannten Kontrollsystems genießen Ökoprodukte ein großes Vertrauen bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern. In den vielen Kontrolluntersuchungen, die zum Beispiel für Obst, Gemüse oder Fleisch außerhalb der biointernen Richtlinienkontrollen laufen, fallen Bioprodukte meist positiv auf. Wobei hier nicht nur die Qualität der Produkte, sondern die ökologische Erzeugung im Mittelpunkt steht. Dieser großen Beliebtheit auf dem Lebensmittelmarkt hinkt die einheimische Erzeugung von Bioprodukten hinterher. Das Wachstum in der landwirtschaftlichen Erzeugung und in der Weiterverarbeitung stagniert. Die Folge: immer mehr Ökoprodukte und auch Rohstoffe werden importiert. Das ist bedauerlich, liegt der Flächenanteil bundesweit doch gerade einmal bei 5%.
Die LINKE unterstützt das Ziel, das schon von der Rot-Grünen-Regierung formuliert wurde, bis 2020 einen Anteil von 20 % Bio auf dem Acker zu haben. Nur muss seitens der Politik mehr getan werden, um dieses Ziel zu erreichen. Als neue Barriere erweisen sich übrigens die spekulativen Pacht- und Bodenpreiserhöhungen, zu denen auch durch der Verkauf ehemals volkseigener Flächen durch die BVVG beiträgt. Gerade der Ökolandbau ist auf eine verlässliche Verfügbarkeit des Bodens angewiesen.
Steigende Preise für konventionelle Agrarrohstoffe und die Verdienstmöglichkeiten durch das Energie-Einspeise-Gesetz haben die Verdienst-Optionen für die Landwirtschaftsbetriebe erweitert, auch wenn die Wirkung durch explodierende Betriebsmittel- und Pachtpreise teilweise wieder zunichte gemacht wird. Wo es dennoch einen Zugewinn gibt, ist das auch in Ordnung.
Nur reduziert sich damit auch die Bereitschaft, ökologisch zu wirtschaften. Anders gesagt: die Umstellungsförderung und die Marktanreize für den Ökolandbau haben in der bisherigen Höhe keine ausreichende Wirkung mehr.
Für die LINKE bedeutet das, dass positive Potentiale für Einkommen und Arbeitsplätze in den ländlichen Räumen nicht genutzt werden. Ökolandbau ist auf die Fläche und die Tierhaltung bezogen arbeitsintensiver und bringt wegen des höheren Preisniveaus der Erzeugnisse eine höhere Wertschöpfung. Die betrieblichen Einkommen der Biobetriebe lagen in den Agrarberichten der letzten Jahre immer deutlich über denen der konventionellen Vergleichsbetriebe. Nur reicht das allein offensichtlich nicht, um mehr Betriebe zur Umstellung zu motivieren. Denn die 2- bis 3-jährige Umstellungszeit ist sehr schwierig: das Ertragsniveau sinkt, die Ernte darf nur als Umstellungsware verkauft werden und das optimale und standortangepasste Bewirtschaftungssystem muss oft erst entwickelt werden. Eine schwierige Phase, die mit hohen Risiken verbunden ist. Auch wegen fehlender Kontinuität und Verlässlichkeit der politischen Rahmenbedingungen. Auf der anderen Seite wächst die Nachfrage nach Ökoprodukten! Und das nicht nur in Deutschland, auch andere EU-Länder ziehen nach: allen voran Skandinavien, Tschechien, aber auch die Beneluxstaaten und Frankreich. Ökoprodukte werden inzwischen in ganz Europa produziert und konsumiert. Ein einheitliches Regelwerk für die Erzeugung und Vermarktung von Ökoprodukten in Europa ist daher unumgänglich und eine zügige nationale Umsetzung im Interesse aller.
Minister Seehofer muss darüber hinaus dazu beitragen, dass der einheimische Ökolandbau seine sozialen und ökologischen Potentiale erschließen kann.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.