Über die drei vorliegenden Anträge könnten wir auch einen ganzen Tag debattieren, aber lassen sie mich gleich zur Sache kommen.
Bereits 1992 wurde in Rio de Janeiro die Biodiversitätskonvention verabschiedet. Die Bundesrepublik brauchte 15 Jahre zur Erarbeitung einer Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt! Das ist angesichts der drängenden Probleme ein Trauerspiel.
Gerade wurde eine neue Studie zur Situation der Säugetiere in Europa veröffentlicht, die im Auftrag der EU-Kommisson erstellt wurde.
Danach geht der Bestand bei 27% der europäischen Säugetierarten zurück. Bei einem weiteren Drittel ist die Bestandsentwicklung offen. Für nur 8% aller europäischen Säugetierspezies konnte ein Bestandszuwachs festgestellt werden.
Das zeigt: auch in Europa ist der Artenrückgang alarmierend.
Weltweit sterben täglich etwa 160 Arten aus! Mit jeder Verzögerung politischen Handelns verlängert sich die Liste weiter.
Jede aussterbende Art lässt zudem auch andere Arten aussterben. Daran erinnern uns die riesigen Transparente von Tierschützern auf dem Weg vom Bahnhof Friedrichstraße hierher nachdrücklich.
Der vorliegende Koalitionsantrag darf angesichts dieser Situation keine Werbebroschüre für die 9. Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonfention im Mai 2008 in Bonn bleiben.
So unvollkommen und inkonsequent er auch ist – weshalb wir uns enthalten werden: Wir brauchen wenigstens diese verlässliche Handlungsbasis!
Bis zur Vertragsstaatenkonferenz sollten Regierung und Koalition aber ihre naturschutzpolitischen Hausaufgaben erledigen. Wir dürfen uns international nicht blamieren.
Die Ausweisung von Natura 2000 -Schutzgebieten muss vervollständigt werden.
Und auch Nachbesserungen beim deutschen Pflanzenschutzgesetz, wie vom Umweltbundesamt am Tag der Artenvielfalt vorgestern gefordert, sind dringend.
Zur Agro-Biodiversität.
Auf die Frage "Welche Farbe hat ein Schwein?" antworten heute die meisten Kinder "rosa"! Aber wer mit offenen Augen durch das Land fährt, begegnet auch ganz anderen Schweinen: braune, schwarze, gefleckte, Minischweine, Wollschweine.
Ein Hinweis, dass es die Vielfalt der Nutztierrassen noch gibt.
Auf der Brandenburger Landwirtschaftssausstellung vergangene Woche in Paaren im Glien wurden Rassen des Jahres gekürt – zum Beispiel das Sattelschwein, das Uckermärker Rind und die Skudde, ein kleines, sehr widerstandsfähiges Schaf.
Aber diese Vielfalt der Nutztierrassen ist kaum bekannt. Und sie ist bedroht: jede Woche stirbt weltweit mindestens eine Nutztierrasse aus. Unsere Nutztierbestände bestehen zunehmend aus wenigen Hochleistungsrassen. Der große ökonomische Druck im liberalisierten, globalen Wettbewerb ist die Ursache für diese Tendenz.
Damit wird jedoch gleichzeitig die genetische Vielfalt unserer Nutztierrassen zerstört. Mit weitreichenden Folgen! Denn damit gehen auch genetische Optionen verloren, die wir vielleicht einmal dringend brauchen.
Das gleiche gilt übrigens auch für die Verarmungstendenz bei den Ackerkulturen. Der internationale Saatgutmarkt wird unterdessen von fünf großen internationalen Unternehmen dominiert.
Und die Konzerne strecken ihre Fühler auch nach den Nutztieren aus. Der Versuch des US-amerikanischen Konzerns Monsanto auf Patentierung für Schweine ist zum Glück bislang gescheitert.
Für DIE LINKE. ist ganz klar: Patente auf natürliche Ressourcen sind absurd! Der öffentliche Zugang muss gewährleistet bleiben – auch zum Schutz der Artenvielfalt in der Natur und in der Landwirtschaft!
Der Erhalt der Agro-Biodiversität ist eben keine Spielerei von nostalgischen Hinterwäldlern, sondern ist im Interesse der gesamten Gesellschaft!
Zum Antrag Agroforst-Systeme
Diese Verbindung von Acker- und Gehölznutzung ist gar nicht neu. Eigentlich werden nur uralte Nutzungstraditionen neu aufgegriffen und unter den aktuellen ökonomischen Bedingungen optimiert.
Agroforst-Systeme können zum Erhalt und zur Verbesserung der Biodiversität beitragen. Und sie können neue Einkommensquellen für die Landwirtschaftsbetriebe erschließen. Das haben verschiedene Studien gezeigt.
Über diese positiven Effekte sind wir uns wahrscheinlich sogar weitgehend einig.
Dass die Koalitionsfraktionen den Antrag im Ausschuss trotzdem abgelehnt haben, hat vermutlich sachfremden Gründe. Daher wären wir natürlich sehr neugierig auf ihre Vorschläge zu diesem wichtigen Thema.
Es wäre schon ein erster Schritt, wenn Agroforst-Systeme wenigstens nicht weiter verhindert werden! Dazu brauchen wir zum Beispiel eine schnellstmögliche Überarbeitung des Bundeswaldgesetzes, damit solche Gehölzstreifen nicht weiter als Wald gelten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es vergeht kein Tag, an dem wir nicht vom Klimawandel lesen. Und wenn die Koalition schon beim CO2 nicht wirklich weiterkommt, dann lassen sie sich doch wenigstens die positiven Effekte der Agroforst-Wirtschaft auf Mikroklima und Wasserhaushalt nicht entgehen!
DIE LINKE. jedenfalls stimmt dem vorliegenden Antrag zu!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.