Rede zur zweiten und dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfes "Flächenerwerbsänderungsgesetz – FlErwÄndG" und des Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen "Bodenprivatisierung neu ausrichten", Drucksachen 16/8152, 8396, 7135 und 8050
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich erzähle Ihnen einmal von einem anderen Skandal, und zwar einem existenziellen, weil es dabei nämlich um Arbeitsplätze und nicht um Alteigentümer geht, die meistens relativ gut situiert sind.
Vor allem in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gibt es schwere Auseinandersetzungen um eine großflächige Umverteilung des Bodens, wobei ortsansässige Landschaftsbetriebe benachteiligt werden. Politisch noch brisanter ist der begründete Verdacht, dass eine Bundeseinrichtung zur Explosion der regionalen Boden- und Pachtpreise beiträgt. Es geht um die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH, kurz: BVVG.
Rekordverdächtige 366 Millionen Euro Überschuss hat die BVVG allein 2008 an den Bund überwiesen. Die Finanzkrise habe der BVVG nicht geschadet, so ihr Chef Horstmann. Zitat Horstmann: Das Gegenteil ist der Fall: Sie wirkt sich stimulierend auf unser Geschäft aus. Die vielen Verlierer dieses politisch angeordneten Privatisierungszwangs der BVVG werden nicht erwähnt.
In Brandenburg verfolgt mich dieses Thema als Agrarpolitikerin auf Schritt und Tritt. Die BVVG-Debatte ist sogar brisanter und hitziger als die über die Milchpreise. In den beiden nordostdeutschen Bundesländern stehen die Landwirtschaftsbetriebe unter einem enormen Kauf- und damit auch Preisdruck. Das liegt an den länderspezifischen Bedingungen. Der Pachtanteil liegt mit fast 80 Prozent deutlich über dem in Westdeutschland mit ungefähr 50 Prozent. Überwiegender Verpächter ist die BVVG.
Viele Pachtverträge laufen aus, und damit endet auch die Möglichkeit eines begünstigten Erwerbs der Pachtflächen. Viele Landwirtschaftsbetriebe in Ostdeutschland haben aber gerade erst die Altschulden abbezahlt und verfügen über kaum Eigenkapital. In dieser Situation haben sie eigentlich nur die Wahl zwischen Pest und Cholera: Wenn sie ihre Pachtfläche zu den explodierenden Preisen kaufen, dann haben sie kein Geld mehr für Investitionen oder anständige Löhne. Wenn sie sie nicht kaufen, verlieren sie ihre Existenzgrundlage Boden.
Nur zwei Beispiele für die Preisexplosion von 2007 bis 2008: In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern stieg der Verkehrswert für einen Hektar Boden um über 30 Prozent. Der Pachtzins für neue Pachtverträge stieg um fast 50 Prozent und das in einem Jahr. Natürlich steigen auch in Westdeutschland die Pacht- und die Bodenpreise, allerdings zumindest im Durchschnitt nur um etwas unterhalb der Inflationsrate. Es ist auch die bundeseigene BVVG, die durch die Art der öffentlichen Ausschreibung und des Preisfindungssystems kapitalkräftige und oft nicht landwirtschaftliche Kauf- und Pachtinteressenten anzieht, und mit solchen Spekulationen werden die ortsansässigen Betriebe an die Wand gespielt. Die Kritik am Agieren der BVVG ist sehr lautstark. Sie kommt zum Beispiel auch von der Brandenburger Landesregierung und den Bauernverbänden. Heute wollen Koalition und FDP weitere Vereinfachungen und Lockerungen der kritisierten Privatisierungspraxis beschließen.
Durch die spekulative Privatisierungspraxis der BVVG wird aber schon jetzt die vor Ort verwurzelte Agrarstruktur bedroht und die soziale Schere weiter geöffnet. Daneben führt sie zu einer extremen Eigentumskonzentration. Die KTG Agrar AG zum Beispiel, eine Aktiengesellschaft, will bis Ende 2009 30 000 Hektar in Nordostdeutschland und im Baltikum bewirtschaften. Die BVVG als größter deutscher Flächenanbieter würde weitere Angebote dieser KTG akzeptieren, so die Aussage von BVVG-Vorstand Horstmann.
So wird der ostdeutsche Bodenmarkt endgültig zur Goldgrube. Immerhin stehen noch über 500 000 Hektar ehemals volkseigene und jetzt BVVG-Agrar- und Forstflächen zum Verkauf. Genau deswegen stellt sich die Linke heute mit ihrem Entschließungsantrag hinter die Forderungen aus Brandenburg und fordert sie radikale Korrekturen dieser Praktiken.
Den vorliegenden Entwurf des Flächenerwerbsänderungsgesetzes lehnt die Linke ab, weil damit der Beitrag der BVVG an der Bodenspekulation nicht beendet, sondern zur weiteren Benachteiligung der ortsansässigen Landwirtschaftsbetriebe beigetragen wird. Das ist mit der Linken nicht zu machen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN)