Am 2. September 2020 jährt sich zum 75. Mal der Tag, an dem Wilhelm Pieck in Kyritz (Landkreis Ostprignitz-Ruppin, Brandenburg) die Bodenreform ausrief. Gerade für die LINKE ein erneuter Anlass für einen historischen Rückblick, aber auch den Blick nach vorn bei der Frage „Wem gehört das Land“. Alljährlich veranstaltet der Regionalverband der LINKEN in Kyritz ein Gedenken am dortigen Bodenreform-Denkmal, begleitet von einer fachpolitischen Veranstaltung. Anlässlich des 75. Jahrestages hat die LINKE auch im Bundestag an diese Geschichte, und der gesellschaftlichen Verantwortung für den Boden als Naturreichtum sowie Grundlage unserer Ernährungssouveränität erinnert.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs war ursprünglich durch alle vier Alliierten und damit überall in Deutschland eine Bodenreform vorgesehen. Konsequent umgesetzt wurde dieses alliierte Recht aber nur auf dem Gebiet der späteren DDR mit der demokratischen Bodenreform ab September 1945. Sie zielte vor allem auf eine breite Verteilung des Bodeneigentums. Boden sollte nicht länger wenigen gehören, sondern vielen, die damit ihr eigenes Auskommen, aber auch die Ernährung der Bevölkerung sichern konnten.
Auch Millionen Kriegsflüchtlinge haben eine neue Chance bekommen. Während die Bodenreform durch massiven Widerstand u. a. des bayrischen Bauernverbands mit der Gründung der Bundesrepublik 1949 endgültig beerdigt wurde, enteignete man in Ostdeutschland Kriegsverbrecher, darunter die ostelbischen Junker, aber auch alle Großbauern, die über 100 Hektar besaßen. Das Land wurde an Landlose verteilt, darunter über eine Millionen Kriegsflüchtlinge. Unbestritten wurde dieser Prozess leider auch mit Ungerechtigkeiten bis hin zu Unrecht und Denunzierung begleitet. Trotzdem bleibt der historische Verdienst einer gerechteren Verteilung des Bodeneigentums.
Mit dem sogenannten Modrow-Gesetz vom 6. März 1990 sollte dieses Erbe gesichert werden. Aber die Begehrlichkeiten nach ostdeutschem Bodenreformland blieben, und mit dem 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz von 1992 gingen viele Bodenreformerben leer aus. Aktuell spitzt der Bodenerwerb von landwirtschaftsfremden Investoren-Netzwerken die Bodenfrage neu und in lange nicht gekannter Weise zu. Der Widerstand gegen diese Bodenreform von oben, mit der durch Bodenspekulation frühere ostelbische Bodeneigentumsverhältnisse quasi restituiert werden sollen, steht seit Jahren im Mittelpunkt der Bodenpolitik der LINKEN.
Von gestern bis heute, wo die Bodenfrage mindestens genauso aktuell ist, wurde in der Fraktionsveranstaltung der Bogen gespannt. Zu Beginn lasen Bundestagsabgeordnete der LINKEN aus Zeitzeug*innenberichten von Gemeindeentschließungen und Bauernvereinigungen aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen Zeugnisse von Landwirten und Pfarrern. Sie machen deutlich, die Umverteilung von Boden 1945 war gesellschaftlich breit getragen wurde.
Im Anschluss sprach Hans Modrow als Ehrengast über sein Gesetz von 1990 zur Sicherung der Ergebnisse der Bodenreform, seine politische Motivation dazu und den bundesdeutschen Umgang mit den Erb*innen der Bodenreform. Gerade diese persönliche, aber auch politische Erinnerung des damals letzten Regierungschefs der DDR und Vorsitzenden des Minister*innenrates der DDR war bewegend.
Zum Abschluss der Veranstaltung brachte die agrarpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE Dr. Kirsten Tackmann die Bodenfrage in die Gegenwart und berichtete über die Initiativen der Linksfraktionen im Bundes- und in den Landtagen für eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik.
Es sprachen: Dr. Dietmar Bartsch zur Begrüßung, Hans Modrow als Gastredner, Dr. Kirsten Tackmann als einladende Abgeordnete. Es lasen: Heidrun Bluhm-Förster, Kerstin Kassner, Jan Korte, Dr. Gesine Lötzsch und Dr. Kirsten Tackmann. Durch die Veranstaltung führte Matthias Krauß.
Der gesamte Mitschnitt:
Gemäß den Hygienebeschränkungen aufgrund von SARS-CoV-2 wurde die Veranstaltung aufgezeichnet.