Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE):
Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute geht es um die Umsetzung der UTP-Richtlinie der EU gegen unlautere Handelspraktiken in der Lebensmittelkette. Ministerin Klöckner wollte das zügig umsetzen, bis spätestens Ende 2020. Aber mit der ersten Lesung heute und der Anhörung Ende Februar wird die Frist zum 1. Mai gerade so noch erreicht.
Ja, gründlich geht vor schnell. Aber wenn das Haus lichterloh brennt, sollte man wissen, woher man das Wasser kriegt.
(Beifall bei der LINKEN)
Und in der Lebensmittelkette brennt es lichterloh, und zwar schon lange. Wieder fahren Trecker durch Berlin – für faire Erzeugerpreise -, übrigens Öko- und konventionelle Landwirtschaft gemeinsam. Ja, der Berufsstand hat zu lange stillgehalten. Aber die soziale Not ist eben unterdessen in vielen Agrarbetrieben Realität. Und sie hat Brandbeschleuniger: übermächtige Molkerei-, Schlacht- und Lebensmittelkonzerne. Das zu durchschauen, ist ja nun keine Raketenwissenschaft.
Als Linke kritisiere ich seit Jahren die erpresserisch niedrigen Erzeugerpreise. Sie werden trotzdem nach wie vor billigend in Kauf genommen, und das ist unverantwortlich.
(Beifall bei der LINKEN)
Es werden ja nicht mal die aktuellen Standards kostendeckend bezahlt, obwohl klar ist, dass sie ethisch bedenklich und für Boden, Wasser, Luft, Klima und biologische Vielfalt riskant sind. 12 Prozent der Agrarbetriebe haben laut Statistischem Bundesamt seit 2010 aufgegeben – nicht freiwillig. Dahinter stehen menschliche Existenzen und quasi eine Enteignung über den sogenannten freien Markt. Das ist schwer zu ertragen. Aber es wird eben auch mit unserer Ernährungssouveränität und unseren natürlichen Lebensbedingungen gepokert. Und das muss endlich aufhören.
(Beifall bei der LINKEN)
Dabei geht es auch nicht nur um persönliches Fehlverhalten; es geht auch nicht nur um Marktversagen. Es ist hier ein System, das versagt, weil es eben nicht um Verantwortung gegenüber der Gesellschaft geht, sondern um Profit und Macht. Deshalb bestimmen doch vor allem Tönnies, Arla oder Supermarktketten, was in den Ställen oder auf dem Acker passiert. Für den Milchmarkt hat das selbst das Bundeskartellamt schon vor Jahren festgestellt. Und in der Pandemie sind die Erzeugerpreise sogar noch gesunken, während die Lebensmittelpreise gestiegen sind. Das ist doch absurd.
(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE))
Statt über freiwillige Verhaltenskodizes zu fantasieren, gehören diese Konzerne endlich an die Kette.
Das Gesetz gegen unlautere Handelspraktiken ist ein erster Schritt. Ja, seine Lücken können wir im parlamentarischen Verfahren noch schließen. Aber das allein wird eben nicht reichen. Zum Beispiel muss Werbung mit Dumpingpreisen verboten und muss das Kartellrecht verschärft werden. Und wenn alles nicht hilft, müssen wir auch über Entflechtung reden. Das darf kein Tabu sein. Als Gesetzgeber dürfen wir nicht dulden, dass Agrarbetriebe vor allen Dingen für Konzerne und ihre Profite arbeiten. Und weil mit diesen Profiten auch noch Acker und ganze Agrarbetriebe gekauft werden, sage ich für Die Linke: Das hört jetzt auf!
Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
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