Der SPIEGEL (Ausgabe 42/2010) hat es in der vergangene Woche entdeckt. Die diversen Gase beim Rindvieh. Der Artikel „Das Rülpsen der Rinder“ weist auf ein Problem hin, das zum Thema „Landwirtschaft und Klimaschutz“ gehört. Landwirtschaft ist Teil des Problems (Klimawandel), aber wachsende Nutzpflanzen sind auch ein CO2-Speicher, damit ist die Landwirtschaft auch Teil der Lösung (Klimaschutz). In welche Richtung dieses Pendel öfter schwingt und welche Wege zu mehr Klimaschutz mit landwirtschaftlicher Produktion führen, sind umstritten. Im Artikel werden zwei gegensätzliche Lösungswege der Tierhaltung beschrieben. Ein Farmer aus Australien hält über 100.000 Rinder in extensiver Weidehaltung. Mehr oder weniger natürlich leben die Tiere dort bis zu ihrem Tod durch Gewehrschuss. Er macht sich kaum Gedanken über das Rülpsen seiner Tiere. Im fernen Rom macht sich darüber jemand um so mehr Gedanken: Ein Wissenschaftler der FAO – das ist die Landwirtschaftsbehörde der Vereinten Nationen – redet der Intensivierung der Nutztierhaltung das Wort. Nur so könnten schädliche Treibhausgase-Emissionen pro Steak reduziert werden. Nur: ob diese Ökobilanzierung auch unter Einrechnung aller Klima-Effekte des vorgelagerten Bereichs, zum Beispiel des intensiven Futtermittelanbaus und–transportes noch so aufgeht? Vielleicht liegt ja, wie so oft im Leben, die kluge Lösung irgendwo in der Mitte?
So gegensätzlich Lösungswege auch sein mögen, eins ist klar: Wenn wir am 2-Grad-Ziel festhalten wollen – also die globale Klimaerwärmung um maximal 2 Grad Celsius – dann müssen alle einen Beitrag dazu leisten. Das gilt für alle Wirtschaftbranchen wie auch für die Landwirtschaft. Allerdings muss die Landwirtschaft dabei aus ihrer Sonderrolle betrachtet werden: als Produzent lebensnotwendiger Güter, der Lebensmittel. Deshalb ist sie eben nur bedingt mit Autobauern und Fernsehproduzenten vergleichbar, auch wenn das jüngere Leute als ich vielleicht anders sehen.
Grundlage für eine Strategie für mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft muss eine wissenschaftlich belastbare Klimabilanz der landwirtschaftlichen Produktion sein. Dabei ist für mich schon eine wichtige Frage, welche Teilbereiche wir denn in eine solche Rechnung einbeziehen wollen. Aus meiner Sicht sollte diese Rechnung bei der Gewinnung von Mineraldüngern und Pflanzenschutzmitteln anfangen. Oder bei der Rodung von Tropenwald zur Landgewinnung für neue Sojaplantagen. Das geht weiter über die notwendige fossile Energie für landwirtschaftliche Maschinen und Transportfahrzeuge, über Energie verbrauchende Lager und Kühlung bis zu den Lebensmittelverarbeitern und dem Lebensmittelhandel. Wir brauchen also eine Bilanz vom Mineralabbau zur Düngerproduktion bis zur Supermarkt-Theke. Ob dabei in der Summe dann ca. 14 Prozent der Treibhausgase herauskommen, wie der Umweltverband WWF behauptet, oder 5,5 Prozent, wie der Deutsche Bauernverband betont? Ich denke, zwei Dinge sind in dieser Diskussion wichtig: Erstens ist die Landwirtschaft auf Grund ihrer Funktion als Nahrungslieferer nur bedingt mit anderen Bereichen (z.B. Verkehr) zu vergleichen. Mit Apfel-Birnen-Vergleichen tut man ihr Unrecht. Aber zweitens muss auch die Landwirtschaft versuchen, Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren.
Da Landwirtschaft nicht abstrakt ist, sondern Bäuerinnen und Bauern tagtäglich durch ihre wertvolle Arbeit Äcker, Weiden und Wälder bewirtschaften, muss eine starke Agrarwissenschaft dazu beitragen, ein großes Arsenal von Klima schonenden Produktionsverfahren zu erarbeiten. Potentiale gibt es viele. Freilandhaltung verursacht vergleichsweise geringe Emissionen. Die Vergärung von Gülle in Biogasanlagen könnte Methan- und Lachgasemissionen deutlich verringern. Düngemittel könnten zielgenauer eingesetzt werden. In Deutschland kann nur die Hälfte des eingesetzten Stickstoffs von den Pflanzen überhaupt genutzt werden.
Für uns als LINKE ist der Klimaschutz neben dem Verlust an biologischer Vielfalt ein wichtiges agrarpolitisches Thema. Auch bei der Debatte um die Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2013. DIE LINKE hat dazu Vorschläge veröffentlicht. Wir wollen die Direktzahlungen aus der I. Säule der GAP zielgerichteter an konkrete gesellschaftliche Leistungen binden, also auch an Klimaschutz oder mehr Agro-Biodiversität. Zukünftig soll auf Grünlandumnutzung zu Ackerland verzichtet werden. Durch Grünlandumbruch werden Klima schädigende Treibhausgase freigesetzt, der Wasserhaushalt gerät in Bedrängnis und die Artenvielfalt geht zurück. Feldgehölze verbessern die biologische Vielfalt.
Die von den Grünen und der SPD eingereichten Anträge enthalten eine Vielzahl von Vorschlägen, wie der Herausforderung Klimawandel begegnet werden und wie die Landwirtschaft ihren Beitrag zur Reduzierung ihres Treibhausgasausstoßes leisten kann. Wir sollten sie im Ausschuss ernsthaft diskutieren.
Anhang: 101028_debatte_klimaschutz_in_der_landwirtschaft_2_.pdf