Die UnterzeichnerInnen erklären:
1. Für uns hat die alltägliche Auseinandersetzung mit allen Erscheinungsformen von Neofaschismus und Ausländerfeindlichkeit große Bedeutung. Dazu gehören ausdrücklich auch friedliche Proteste am Rande erlaubter Demonstrationen und Aufmärsche neofaschistischer Organisationen. Das war der Grund für unsere Teilnahme an der Gegendemonstration am 1. September 2007 in Neuruppin, von der das sehr eindrucksvolle Zeichen ausging, dass solches Gedankengut in Neuruppin nicht geduldet wird.
2. Zu einer lebendigen Demokratie gehört aber für uns auch die Diskussion über die Verhältnismäßigkeit polizeilicher Maßnahmen gegen solche antifaschistischen Gegendemonstrationen, einschließlich der Strafverfolgung bei unverhältnismäßigem Handeln von polizeilichen Einsatzkräften. Diese Strafverfolgung ist sehr wohl von öffentlichem Interesse, weil der Aufruf zur Zivilcourage eine besondere Verantwortung für diejenigen einschließen muss, die sie zeigen. Zumindest anfänglich hatte offensichtlich auch die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse erkannt und die Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs vorgeschlagen. Gerade deshalb ist für uns Betroffene die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 153 Abs.1 Strafprozessordnung sehr unbefriedigend.
3. Wir widersprechen der Darstellung, es habe eine gewaltbereite, aggressive Klientel in der Gruppe der GegendemonstrantInnen gegeben, die vom Pfeffersprayeinsatz betroffen war. Es ist unverständlich, dass sich die Staatsanwaltschaft in dieser Darstellung, die für die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 153 Abs. 1 der Strafprozessordnung augenscheinlich maßgeblich war, auf die Aussage nur eines Zeugen (Ernst Bahr) beruft, aber weder alle AnzeigeerstatterInnen noch weitere ZeugInnen, deren Aussagebereitschaft signalisiert wurde, gehört hat.
4. Dennoch sehen wir in der Feststellung der Staatsanwaltschaft zur Unverhältnismäßigkeit des Pfeffersprayeinsatzes ein wichtiges Signal dafür, dass Verhältnismäßigkeit und Rechtmäßigkeit polizeilicher Maßnahmen gewahrt bleiben müssen.
5. Es zeigt uns gleichzeitig die Bereitschaft, dass die polizeilichen Einsatzkräfte bereit sind, sich der Debatte über solche Vorkommnisse ernsthaft zu stellen. Eine persönliche Erklärung des Bedauerns durch die Beschuldigten und ihrer Vorgesetzten gegenüber den Geschädigten würde die Ernsthaftigkeit deutlich unterstreichen.
6. Wir erwarten jetzt vor allem öffentlich erkennbare Konsequenzen seitens der Polizei, um in Zukunft unverhältnismäßiges Handeln von polizeilichen Einsatzkräften bei antifaschistischen Gegendemonstrationen zu verhindern.
Gerd Bartsch, Paul Schulz, Kirsten Tackmann