Rede zum Antrag "Biopatentrecht verbessern – Patentierung von Pflanzen, Tieren und biologischen Züchtungsverfahren verhindern" der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 16/11604, 1. Lesung, die Rede ging zu Protokoll
Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste,
was haben Brokkolis, Schweine und Sonnenblumen gemeinsam? Man kann sie, wenn Mensch will, essen. Und weil Essen existenziell ist, wäre die Kontrolle über das, was wir essen, eine Schlüsselposition. Wer Essen oder den Zugang zu Essen kontrolliert, hat so unglaubliche Macht – bis zur Erpressbarkeit derer, die essen. Was hat das mit dem vorliegenden Antrag der Grünen zu tun? Die wahrscheinlich beste Möglichkeit, mit Nahrungsmitteln für die Menschheit Geld zu verdienen, ist die Patentierung von Genen. Wer so ein Patent besitzt, kann theoretisch jedes Mal mitverdienen, wenn Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, in Ihr Brötchen beißen. Eigentlich ist das in Europa verboten, aber eben nur eigentlich.
Das europäische Patentamt EPA umgeht das Verbot regelmäßig. In letzter Zeit immer häufiger. Leider. Wenn ein Erzeugnis – eine Pflanzensorte oder Tierart – nicht patentierbar ist, dann wird das Herstellungsverfahren oder eine Verwendung des Erzeugnisses zum Patent angemeldet. Die negative Wirkung bleibt die gleiche: Das Schwein in meinem Stall gehört nicht mehr mir!
Das EPA nutzt dabei Spielräume in der zu löchrig formulierten EU-Biopatentrichtlinie. Herstellungsverfahren wie z.B. Selektionsverfahren sind so ein Schlupfloch. Diese Schlupflöcher sind aber kein Zufall, sondern absichtlich eingebaut. So dürfen beispielsweise keine Patente auf "im Wesentlichen" biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren erteilt werden. Die beiden Worte "im Wesentlichen" sind doch genau deshalb in diesem Satz drin, damit Ausnahmen möglich sind.
Die aktuelle Situation, in welcher multinationale Agrar- und Saatgutkonzerne auf die Grundlagen unserer Ernährung zugreifen können, ist und bleibt schlicht nicht hinnehmbar. Bis vor kurzem galt der freie Zugang zu genetischen Ressourcen als Grundrecht und Grundvoraussetzung für die Züchtung! Ja, wir brauchen auch eine freie, uneingeschränkte Arbeit von Forschung und Entwicklung. Auch dafür muss das Biopatentrecht wieder vom Kopf auf die Füße gestellt werden, statt die allein profitorientierte Ausbeutung und Blockade menschlichen Wissens auch noch zu protegieren. Zumindest in Bereichen des öffentlichen Interesses muss der alleinige oder zu bezahlende Wissenszugriff auf Ausnahmen beschränkt oder noch besser unterbunden werden.
Für DIE LINKE gilt dabei weiterhin der Grundsatz: Kein Patent auf Leben! Wir wollen weder ein Recht, Gene zu patentieren, noch ein Patentrecht auf eine besondere Eigenschaft eines Gens. Gene sind keine Erfindungen, sondern Ergebnis der Evolution. Sie können gesucht, untersucht, bewundert und verwendet, aber sie dürfen nicht in privaten Besitz genommen werden. Allenfalls sind sie der Besitz der Völker, mit dem sie im Interesse nachfolgender Generationen umgehen müssen. Eine Privatisierung oder Ausbeutung von gesamtgesellschaftlichen, natürlichen Ressourcen im alleinigen privaten Interesse ist nicht zu akzeptieren. Die Patentierung von Pflanzen, Tieren und deren Genen hat das Potential, im Bereich der allgemeinen Lebensgrundlagen weitreichende Monopole zu schaffen. Profitabel ist der technologische Eingriff, während es im kapitalistischen Wirtschaftssystem für den Erhalt der Artenvielfalt und das kollektive Wissen von Landwirtschaft und Pflanzenzüchtung keine vergleichbaren ökonomischen Anreize gibt, weshalb ihr Schutz oft hinter andere Verwertungsinteressen gestellt wird. Das ist letztlich innovations- und forschungsfeindlich und muss durch politische Entscheidungen verhindert werden.
Die Landwirtschaft muss sich weiterhin auf frei zugängliche genetische Ressourcen stützen können. Dafür brauchen wir gesamtgesellschaftliches Wissen über die Genome unserer Kulturpflanzen und Nutztierrassen. Patente auf das Wissen über dieses Leben schränken dagegen den Zugang ein. Das ist mit der LINKEn nicht zu machen!
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.