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!! ACHTUNG!! DIESE SEITE WIRD NICHT MEHR AKTUALISIERT. Bitte wenden Sie sich mit Ihren Anliegen nach dem Ende des Mandats von Dr. Kirsten Tackmann am 26.10.2021 an die aktuelle Linksfraktion im Bundestag. Für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und konstruktive Kritik der vergangenen 16 Jahre möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken.

Arbeitgeberzusammenschlüsse (AGZ) sind betriebliche Kooperationen vor allem kleiner und mittlerer Betriebe einer Region. Im Einzelbetrieb nur zeitweise oder saisonal Beschäftigte werden im AGZ ganzjährig sozialversicherungspflichtig eingestellt. Das bietet sowohl den Betrieben, als auch den Angestellten jede Menge Vorteile. Für die CDU/CSU ist es die Rückkehr zur "Kollektivierung", für DIE LINKE allerdings eine Chance für die ländlichen Räume.

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste,

über die schwierige Lebenssituation und die Zukunft vieler ländlicher Räume haben wir im Bundestag oft diskutiert. Zuletzt vor wenigen Wochen, als Minister Seehofer eine interministerielle Arbeitsgruppe ankündigte.

Aber Problembewusstsein allein ändert nichts. Der Ernst der Lage ist wohl im Ministerium noch gar nicht angekommen. Es fehlt an vielem: Schulen, Ärztinnen und Ärzte, Busse und Bahnen, Post- und Bankfilialen. Und vor allem fehlen existenzsichernde Arbeitsplätze! Es geht nämlich nicht nur um Armut aufgrund Langzeitarbeitslosigkeit, sondern um Niedrigstlöhne und die Tendenz, dass Beschäftigte zum Beispiel im Hotel- und Gaststättengewerbe oder in der Land- oder Forstwirtschaft nur noch zeitweise gebraucht werden. Tage-, Wochen- und MonatslöhnerInnen fehlt das Geld aber nicht nur heute, sondern auch im Alter.

Es ist also wichtig darüber nachzudenken, wie diese zeitweise verfügbare Arbeit so organisiert werden kann, dass sie Menschen eine Perspektive bietet. Sie sollen in ihrer Region bleiben können, wenn sie das wollen! Und das geht alle an: Abwanderung ist ja nicht nur ein Problem der verlassenen Gegend, sondern auch der Zuzugsregion.

DIE LINKE hat den Vorschlag gemacht, eine französische Idee aufzugreifen, die auch von der brandenburgischen SPD/CDU-Koalition unterstützt wird, während die Koalition auf Bundesebene die gute Idee wohl noch ignoriert.

DIE LINKE redet nicht nur über Probleme – sie stellt sich dem Problem der nur noch saisonal oder zeitweise zur Verfügung stehenden Arbeit, speziell in der Land- und Forstwirtschaft. Auf der Suche nach neuen Wegen sind wir auf eine Lösung gestoßen, der den Flexicurity-Ansatz der EU auch im Interesse der Beschäftigten erfüllt: Arbeitgeberzusammenschlüsse (AGZ)!

AGZ sind betriebliche Kooperationen vor allem kleiner und mittlerer Betriebe einer Region. Im Einzelbetrieb nur zeitweise oder saisonal Beschäftigte werden im Arbeitsgeberzusammenschluss ganzjährig sozialversicherungspflichtig eingestellt. Vorteil für die Betriebe: sie können immer auf den gleichen Pool qualifizierter, erfahrener Fachkräfte zugreifen. Im Unterschied zur Leiharbeit bestehen feste Beziehungen der Betriebe untereinander und zu den Beschäftigten. Empfehlenswert sind AGZ aus verschiedenen Branchen, so dass sich Arbeitsspitzen möglichst gut über das Jahr verteilen. Die Betriebe werden von Personalmanagementaufgaben entlastet, was Kosten spart. Sie bekommen erfahrene Fachkräfte für die Zeit ihres erhöhten Arbeitsaufkommens, auf die sie sich verlassen können.

Auch die Vorteile für die Beschäftigten sind vielfältig. Sie sind ganzjährig beim AGZ beschäftigt und erfüllen eine Vielzahl abwechslungsreicher Tätigkeiten. Unsichere Einzelarbeitsverhältnisse werden durch die AGZ sozial abgesichert und in existenzsichernde Arbeitsplätze umgewandelt. Zusätzlich werden durch die AGZ Aus- und Fortbildung und andere Qualifizierungen organisiert.

Im EU-Nachbarland Frankreich wurden damit sehr positive Erfahrungen gesammelt. 2004 gab es dort auf der Grundlage eines Gesetzes aus dem Jahr 1985 allein im landwirtschaftlichen Bereich 4.100 AGZ mit ca. 40 000 Beschäftigten!

In Deutschland wird die gemeinsame, betriebsübergreifende Nutzung von land- und forstwirtschaftlichen Maschinen oder die gemeinsame Vermarktung von Produkten schon lange erfolgreich organisiert. Daran lässt sich anknüpfen.

In Brandenburg wurden diese Chancen erkannt. Die Landesregierung fördert seit einigen Jahren gezielt den Aufbau von Arbeitgeberzusammenschlüssen. Durch eine gerade erst veröffentlichte Kooperationsrichtlinie soll die schwierige Anfangsphase zur Einrichtung eines Arbeitgeberzusammenschlusses unterstützt werden.

Gleichzeitig macht die Brandenburger Landesregierung auf bundespolitische Erfordernisse aufmerksam:

"Für einen gesetzlichen Schutz, der sich speziell auf den Schutz von Arbeitgeberzusammenschlüssen ausrichtet, sind bundesgesetzliche Regelungen maßgebend."

Dagegen antwortete die Bundesregierung gerade auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE (16/8826):

"Aus Sicht der Bundesregierung sind die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Bildung von Arbeitgeberzusammenschlüssen (AGZ) bereits vorhanden."

Ist die Bundesregierung nur schlecht informiert oder ignoriert den dringenden Regelungsbedarf!

Der ist nämlich klar und eindeutig:

Erstens: Gebraucht wird eine Anschubfinanzierung, zum Beispiel über die Bundesagentur für Arbeit.

Zweitens: Wir brauchen die gesetzliche Klarstellung, dass AGZ keine Leiharbeit sind. Weil sonst zum Beispiel die Beiträge für die Berufsgenossenschaft ungerecht hoch sind.

Auch die EU-Ebene hat unterdessen erkannt, dass AGZ zur Stärkung der ländlichen Räume beitragen können: EU-Kommissar Špidla hat Anfang des Jahres ein europäisches Ressourcenzentrum für AGZ gegründet! Bei der Eröffnung im Februar 2008 gab er zu Protokoll, dass die AGZ nach seiner Kenntnis das einzige Projekt wären, wo Flexibilisierung und soziale Sicherung wirklich gemeinsam gedacht wird, also die Forderungen an Flexicurity erfüllt werden.

Es gibt also, liebe Kolleginnen und Kollegen, keinen wirklichen Grund, den Antrag der LINKEn heute abzulehnen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.