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Rede zum Antrag "Häusliche Gewalt gegen Frauen weiter konsequent bekämpfen" der SPD-Fraktion (DS 16/6429) und zur Unterrichtung "Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen" (DS 16/)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung. Darin sind wir uns einig. Deswegen begrüßt meine Fraktion Die Linke ausdrücklich die zentralen Forderungen des vorliegenden Koalitionsantrages: häusliche Gewalt gegen Frauen konsequent weiter bekämpfen und den nationalen Aktionsplan fortschreiben. Das ist ja unterdessen erfolgt. Wir können das nur unterstützen. In der heutigen Debatte möchte ich unseren Blick auf eines der schwerwiegendsten Probleme lenken, mit denen Frauen auf der Flucht vor Gewalt konfrontiert werden. Im Koalitionsantrag steht, dass Frauenhäuser als Zufluchtsstätten nach wie vor notwendig sind. Darin sind wir uns einig. Es wird begrüßt, dass die Kostenerstattung zwischen den kommunalen Trägern nach § 36 a SGB II erfolgt. Das klingt zwar harmlos, ist aber im Vergleich zur früheren Sozialhilfe eine deutliche Verschlechterung. In 12 von 16 Bundesländern werden Frauenhäuser heute nicht mehr pauschal, sondern nach sogenannten Tagessätzen finanziert. Das heißt, dass für Frauen ohne eigenes Einkommen die Kosten entsprechend SGB II übernommen werden. Das hat einige schwerwiegende Konsequenzen: Erstens. Wenn die Frauen nicht anspruchsberechtigt sind, müssen sie für ihren Aufenthalt im Frauenhaus selbst aufkommen. Das können aber viele oft nicht. Diese Regelung trifft insbesondere Studentinnen und Asylbewerberinnen. Zweitens. Die Frauen müssen sofort, also in der unmittelbaren Fluchtsituation, einen Hartz IV-Antrag stellen. Im Klartext heißt das: Die Frauen befinden sich in einer extremen Notsituation. Statt die dringend benötigte sozialpsychologische Betreuung zu erhalten, gehen sie mit einer Mitarbeiterin des Frauenhauses erst einmal zur Arge und stellen einen Hartz IV-Antrag. Was das konkret bedeuten kann, hat mir eine Mitarbeiterin eines Frauenhauses in Brandenburg berichtet: Die von Gewalt betroffene Frau kam als "normale" Kundin in einen Raum, wo neben ihrer eigenen Fallmanagerin eine weitere Fallmanagerin saß, mit einem anderen Erwerbslosen im Gespräch. Der Versuch, die Fallmanagerin auf die besondere Situation der von Gewalt betroffenen Frau hinzuweisen, scheiterte an der Insensibilität bzw. Unwissenheit der Fallmanagerin. Der Termin musste abgesagt werden. Ein ALG-Anspruch besteht allerdings erst ab Antragstellung. Das ist nur ein Beispiel für die unwürdige Situation, in die von Gewalt betroffene Frauen durch die Regelung im SGB II gebracht werden, von der katastrophalen datenschutzrechtlichen Situation einmal ganz abgesehen. Hinzu kommt, dass von der Antragstellung bis zur ersten Auszahlung der Leistungen nach dem SGB II Wochen vergehen können. In dieser Zeit sind die Frauen oft mittellos. Eine Zwischenfinanzierung über das SGB XII ist gesetzlich leider ausgeschlossen. Einmalige Beihilfen wie in der früheren Sozialhilfe gibt es nicht mehr. Hinzu kommen Probleme bei der Bewilligung der Übernahme der Kosten für die Unterkunft bzw. für die Fortzahlung der Miete für die verlassene Wohnung usw. Im neuen Aktionsplan steht: Bei der Evaluation der Umsetzung des SGB II wird auch die Gruppe der von Gewalt betroffenen Frauen Berücksichtigung finden. Angesichts der Armutssituation, in die viele Frauen im Frauenhaus geraten, ist das in der Tat dringend erforderlich. Im Koalitionsantrag fehlt das "Fördern" übrigens völlig, um von Gewalt betroffenen Frauen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu bieten. Ich finde, das ist ein großer Fehler. (Beifall des Abg. Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE)) In der Bundesrepublik gibt es etwa 400 Frauenhäuser, in denen jährlich schätzungsweise 40 000 Frauen Zuflucht finden. Über die Tagessatzfinanzierung werden die Frauenhäuser SGB-II-abhängig. Sie müssen ihren Etat sogar bis zur Hälfte selbst einwerben. Dadurch werden die Frauenhausmitarbeiterinnen zu Geldbeschafferinnen. Ihnen fehlt dann die Zeit für die psychosoziale Arbeit und die Begleitung der betroffenen Frauen. Niemand bestreitet heute ernsthaft die gesellschaftliche Realität. 25 Prozent der in Deutschland lebenden Frauen das ist hier heute schon mehrfach gesagt worden machen Erfahrungen mit körperlicher und sexueller Gewalt. Die psychische Gewalt ist ebenfalls schon angesprochen worden. Seit 30 Jahren fordern Frauenhäuser: Jede dieser Frauen soll unabhängig von ihrem sozialen Status oder ihrer Nationalität Zuflucht und Hilfe finden können. Mit Hartz IV haben wir uns von diesem Ziel wieder weiter entfernt. Von Gewalt betroffene Frauen brauchen dringend bundeseinheitlich finanziell abgesicherte Frauen- und Schutzhäuser. Das ist heute schon von anderen Rednern gefordert worden. Die Bundeskanzlerin hat das übrigens auch so gesehen; aber da war sie noch Frauenministerin. Liebe Kolleginnen und Kollegen vor allen Dingen von der Koalition, liebe Ministerin, die Ernsthaftigkeit unserer Bemühungen zum Thema Gewalt wird auch daran gemessen werden, ob wir die Probleme, die ich hier aufgeführt habe, lösen. (Beifall bei der LINKEN) Das geschieht zu Recht. Ich denke, wir müssen hier endlich handeln. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN)