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Rede von Kerstin Kaiser auf der Osterwanderung gegen die geplante militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide in Fretzdorf am 23. März 2008

Weder Gerichte, noch Parlamente, noch kommunale Vertretungen, weder Landesregierungen noch Berufsverbände, auch nicht die Parteien in diesem Land finden heute auch nur ein Argument für die militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide. Dass dies so offen auf dem Tisch liegt ist und bleibt der Erfolg der Bürgerinitiative Freie Heide. Es ist und bleibt der Erfolg auch der Tausenden Menschen, die wie wir hier heute und in den letzten Jahren – manche von ihnen zum 16. Mal – am Ostersonntag gegen den Bombenabwurfplatz protestierten. Diese Art "Osterspaziergang" ist das Symbol für die friedliche Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide.

1. Mit Trotz und aller Macht, aber ohne Argumente gegen die Mehrheit

Und so, wie den Befürwortern des Bombodroms die Argumente ausgegangen sind, wenn es um das Üben des Krieges geht, so kann ich auch kein einziges Argument finden, das für die tatsächliche Anwendung von Krieg als Mittel der Konfliktlösung spricht. Die Welt braucht gegen den Irrweg Krieg keinen einzigen Beweis mehr! Fünf schreckliche Jahre des Krieges der USA gegen Irak mit seinen Opfern und Zerstörungen beweisen und erfordern nur Eines: Diesen Krieg sofort zu beenden!

Ich nehme heute hier nicht zum ersten Mal an dieser Osterwanderung teil, und für mich und meine Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete der Linken unter Ihnen versteht es sich von selbst, dass wir damit gleichzeitig NEIN sagen, NEIN zu Kriegseinsätzen, NEIN zur Teilnahme der Bundeswehr an Kriegseinsätzen der NATO.

Die Bundeswehr jedoch hält beharrlich fest an ihrem Plan, das Gelände zwischen Wittstock und Mirow als Luft-Boden-Schießplatz für eine – wie sie sagt – "einsatznahe Ausbildung" zu nutzen. Die Beharrlichkeit, mit der sie das gegen die 16 Jahre währenden Proteste tut, muss als Zeichen gedeutet werden für die Absicht, die kriegerischen Aktivitäten der Bundeswehr weltweit zu intensivieren.

Die jüngsten Pläne der Bundesregierung, den Bundeswehreinsatz in Afghanistan auszuweiten sind aktueller Anlass genug, ein Zeichen des Friedens zu setzen.

Wir sagen hier und heute: Die Kyritz-Ruppiner Heide darf kein Übungsgebiet für das werden, was in Afghanistan und anderenorts Tod und Zerstörung bringt. Es ist an der Zeit, dass auch Bundesregierung, Bundeswehr und Verteidigungsminister Jung begreifen, dass die Heide genau so wenig zum Bombodrom taugt, wie die militärische Eskalation in Afghanistan zum Frieden führt.

Übrigens: auch der Ex-Verteidigungsminister und jetzige Chef der SPD-Bundestagsfraktion Peter Struck (SPD) verkündete – heute vor einer Woche: "Es ist völlig klar, dass die SPD, die Union, die FDP und weite Teile der Grünen mit der klaren Unterstützung des Afghanistan-Einsatzes gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung stehen. Deshalb bleibe ich dabei (immer noch Struck): Die Interessen der Deutschen werden auch am Hindukusch verteidigt."

Ja, liebe TeilnehmerInnen des Protestmarsches, die Regierungen bleiben sich im Schlechten treu und wie bei Hartz4, der Rente mit 67 und der Verweigerung eines gesetzlichen Mindestlohns wissen sie ganz genau, was sie tun: sie machen unbeirrt Politik gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung.

Wir mögen ja gelegentlich duldsam sein in diesem Land. Wir ertragen es mit Langmut, dass das politische Gewissen derzeit wieder mal intensiv als Basiswerkzeug von Abgeordneten gefordert wird. Bei Kriegseinsätzen und Mandatsverlängerung aber, da soll das Gewissen keine Rolle spielen- da geht es gleich um deutsche Interessen. Aber Herr Struck: Was immer sie unter deutschen Interessen verstehen mögen – in meinem Namen, und heute in unserem können sie Kriegseinsätze nicht befürworten.

Wir sagen heute und von hier aus: Unser Interesse und das Interesse der Mehrheit der Bevölkerung ist, dass die Bundeswehr so schnell wie möglich vom Hindukusch abgezogen wird!

Die LINKE ist deshalb seit langem – innerhalb und außerhalb der Parlamente – Teil derer, die in Brandenburg und anderswo dafür kämpfen, dass hier in der Heide nicht geübt wird, was in anderen Teilen der Welt blutige Realität wird.

2. Hier wird nicht Krieg, hier wird Demokratie eingeübt

Ohne die Bürgerinitiative hätten wir uns heute bestimmt nicht hier und so zahlreich getroffen. Selbstbewusst kann sie auf 15 Jahre erfolgreichen, friedlichen Widerstands zurückblicken, der bislang die militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide verhindert. Sie hat ein Lehrstück in Sachen Demokratie geschrieben und praktiziert und hat damit dem Verteidigungsministerium und der Bundesregierung einen spürbaren Denkzettel verpasst. Die Bürgerinitiative wurde zum aktiven Kern eines breiten, partei- und länderübergreifenden Bündnisses. Friedensaktivistinnen und Friedensaktivisten, regionale Wirtschaft und Politik sowie Bürgerinnen und Bürger kämpfen gemeinsam gegen das Bombodrom. Die übergroße Mehrheit der Bevölkerung im Brandenburger Nordwesten unterstützt und trägt diese Bürgerbewegung. Die FREIe HEIDe ist damit zum bundesweiten Symbol für das beharrliche und unbestechliche Einfordern demokratischer Mitspracherechte geworden. (Anders als vor Ort nehmen sich SPD und CDU im Landtag Brandenburg an dieser politischen Kultur kein Beispiel. So gelang es leider nicht, wie in Mecklenburg-Vorpommern im Landtag Brandenburg einen gemeinsamen Antrag gegen den Luft-Boden-Schießplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide zu beschließen. Der Antrag der Linken im Februar wurde von der Mehrheit abgelehnt, Die Linke stimmte dann der Entschließung von SPD und CDU aber zu.)

3. Konsens lässt sich nicht verordnen, wir haben ihn für uns erarbeitet

Nicht nur hier auf dem Platz ist es Konsens: Wir brauchen kein Bombodrom! Und dieser Konsens wird immer wieder gestärkt und speist sich heute aus mindestens folgenden guten Quellen:

• Der Erfolg vor dem Potsdamer Verwaltungsgericht im August vergangenen Jahres (2007) stärkt die Befürworter einer Freien Heide. Das Gericht hat die Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide durch die Bundeswehr als Luft-Boden-Schießplatz (Bombodrom) erneut untersagt. • Der Bundeswehr ist es damit in langen 15 Jahren nicht gelungen, die Gerichte und vor allem die Bürgerinnen und Bürger von der Unbedenklichkeit ihres Vorhabens zu überzeugen und die Unbedenklichkeit nachzuweisen. Der Lärm, die Umweltverschmutzung durch den Flugbetrieb und auch der Zweck des geplanten Übungsgeländes haben bisher nicht und werden auch in Zukunft keine Akzeptanz in der Region finden. • Die Bundesregierung musste auf eine Kleine Anfrage (BT-DS Nr. 16/6819) unter anderem einräumen, dass die Zahl der Übungseinsätze auf den schon verfügbaren Plätzen in Siegenburg und Nordhorn deutlich zurückgegangen ist. Außerdem habe das geplante Bombodrom seit 1997 Kosten von 50 Millionen Euro verursacht – und das, obwohl die militärische Nutzung des Geländes gerichtlich untersagt sei. Auch der Bundesrechnungshof hat im vergangenen Jahr mit seiner Begründung, dass der zusätzliche Übungsplatz bei Wittstock nicht benötigt wird und entsprechende Planungen der Bundeswehr überholt seien, ein weiteres Argument gegen die militärische Nutzung der Kyritz – Ruppiner Heide geliefert.

4. Damit Föderalismus als demokratisches Prinzip mal wieder Sinn macht

Ministerpräsident Platzeck muss Steinmeier und Jung – ein bisschen wenigstens – untreu werden und die Kanzlerin zum Rückzug auffordern Die Bundeswehr sollte sich jetzt endlich zurückziehen, sie sollte endlich alle Ansprüche aufgeben damit mit der Konversion begonnen werden kann. Die Region braucht Planungssicherheit, damit sich Wirtschaft und Tourismus weiter entwickeln können.

Seit über 10 Jahren kämpfen Bürgerinitiativen, Kommunen und Unternehmen für eine friedliche Nutzung der Ruppiner Heide. Ihre Interessen und Forderungen zu respektieren ist demokratische Pflicht der Regierenden.

Die Linksfraktion fordert Ministerpräsidenten Platzeck auf, sich auf Bundesebene energischer als bisher dafür einzusetzen. Er sollte von der Bundeskanzlerin und dem Verteidigungsminister auch die Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes verlangen.

(An dieser Stelle sei übrigens noch angemerkt: Die Linksfraktion im Brandenburger Landtag hat den Landtagspräsidenten gebeten, zu prüfen, ob die Bürgerinitiative als ein Zeichen der öffentlichen Anerkennung und des Dankes für außerordentliche Verdienste um das Land Brandenburg und seiner Bevölkerung für den Verdienstorden des Landes Brandenburg (nach § 4 Abs..2 Brandenburgisches Ordensgesetz) vorgeschlagen werden kann.

5. 16 Jahre solidarische Region sind noch lange nicht genug

SechzehnJahre des friedlichen, gewaltfreien Protestes gegen das Bombodrom haben die Politik und die Region und viele Menschen, auch uns, verändert. Und vielleicht- nein ich bin mir sicher -wir werden uns auch in einem Jahr hier wiedertreffen. Dieser Tag, der Ostersonntag in der Kyritz-Ruppiner-Heide mit seinem solidarischen, friedlichen Protest wurde zu einem starken Symbol. 365 Tage lang, bis zum nächsten Ostersonntag, werden wir gegen Kriegseinsätze und Kriegsübungen unsere eigenen Zeichen setzen. Wir werden Anträge und Petitionen schreiben. Diskutieren. Weitersagen und streiten. Jede Protestaktion ermutigt uns und andere und zeigt, dass praktische Hilfe möglich und Not nicht ohne Widerspruch zu erdulden ist. Jedes Lied, jedes Bild, jeder Schulaufsatz und jeder Leserbrief wird wieder andere Menschen ansprechen. Mit jedem Gespräch und jedem Gebet üben wir für den Erhalt von Frieden gegen die Einübung von Krieg. Denn wir leben hier im Frieden.

Wir wollen kein Bombodrom, nicht hier und nirgends. Aber wir wollen auch keinen Krieg. Nirgends.