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Rede zum Gesetzenwurf der Bundesregierung "Gesetz zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSVMG)" (DS 16/6520) und des Berichts der Präsidenten des Bundesreschnungshofes zur Umsetzung und Weiterentwicklung der Organisationsreform in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (DS 16/6147); die Rede wurde zu Protokoll gegeben

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste,

Für die Fraktion DIE LINKE sind auch im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Sozialversicherung zwei Fragen entscheidend: 1. Leistet sie die Absicherung, die gebraucht wird? 2. Sind die Beiträge auch für die bezahlbar, die auf diese Leistung angewiesen sind?

Im vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung geht es aber zunächst leider eben nicht darum, wie diese wichtigen Fragen geregelt werden, sondern wie so oft werden zunächst "nur" Strukturfragen geregelt. Aber über solche Strukturentscheidungen werden natürlich Züge auf die Schiene gestellt. Deshalb lohnt es sich schon zu prüfen, wo die Reise hingehen soll.

Zunächst wird die Errichtung eines gemeinsamen Spitzenverbandes für die gesamte landwirtschaftliche Sozialversicherung als Körperschaft des öffentlichen Rechts vorgeschlagen, weil das eigentliche Ziel eines bundeseinheitlichen Trägers nicht erreicht wurde. Dafür gibt es durchaus auch triftige Gründe. Die bisherige Anzahl der Träger der LSV von neun bleibt erhalten. Die bisherigen Erfahrungen mit der Umorganisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung sind ernüchternd. Bundesrechnungshof und Bundesregierung stimmen in der Bewertung des ersten Gesetzes zur Organisationsreform in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung vom 17. Juli 2001 überein: diese Reform ist gescheitert. Der Bundesrechnungshof hatte übrigens daraus schlussfolgernd eine radikale Verminderung der Träger auf nur noch vier, bundesweit zentral organisierte vorgeschlagen. Die Bundesregierung schafft dagegen eine zusätzliche Struktur, den Spitzenverband. Wie damit die Wirtschaftlichkeit und Effektivität des Systems verbessert werden kann, muss zumindest hinterfragt werden! Ich gehe davon aus, dass wir in einigen Jahren erneut ein Gesetz zur Organisationsreform diskutieren, weil dieses Zwischengesetz nicht zum Ziel führt. Verstehen sie mich nicht falsch: die Zentralisierungsidee des Bundesrechnungshofes ist nicht wirklich innovativ und ob sie der Komplexität der Probleme gerecht wird, darf ebenso bezweifelt werden.

Solange wir Strukturfragen als Alibidebatte diskutieren, weil wir an die eigentlichen Probleme wie Beitragsgerechtigkeit nicht konsequent genug heran gehen, werden wir keine tragfähige Lösung finden.

Dabei gibt es gute Beispiele dafür, wie es gehen könnte. Eine bundesweite vergleichsweise effiziente und funktionierende Unfallversicherung im Agrarsektor existiert zum Beispiel mit der Gartenbau-Berufsgenossenschaft. Ihre Bezuschussung durch den Bund ist sogar vergleichsweise gering! Lösungen, die vom Bundesrechnungshof angemahnt wurden, sind dort schon umgesetzt. Die Gartenbau Berufsgenossenschaft hat sich in jüngerer Zeit mit eigenen Vorschlägen in die Debatte um die Reform der Sozialversicherung eingebracht. Sicher hat auch sie nicht den Königsweg zur Reform zu bieten, aber es finden sich einige Aspekte in der Organisation und Arbeit der Gartenbau – BG, die es wert sind, in der Debatte um die LSV insgesamt Eingang zu finden. Meine Fraktion ist jedenfalls für eine sorgfältige Prüfung dieser Erfahrungen. Vor allem die Fragen zur Zentralisierung von Teilaufgaben, zur Beitragsgerechtigkeit für die Mitglieder und zur Risikoorientierung sind aus unserer Sicht von Bedeutung. In der Unfall-Prävention sind dabei ebenfalls Fortschritte zu erreichen, die weiter gehen als wir sie aus der Landwirtschaft kennen. Und Prävention ist meistens allemal billiger als Schadensregulation. Eine umfassende Evaluierung der existierenden Berufsgenossenschaften wäre dringend erforderlich, denn der Bundesrechnungshof hat vorwiegend aus betriebswirtschaftlichem Blickwinkel evaluiert – wir brauchen aber den volkswirtschaftlichen Blickwinkel. Das heißt aus meiner Sicht, dass die angepeilten 100 Mio. Euro Senkung des Bundeszuschusses eben nicht zum alleinigen politischen Mantra werden darf. Der Strukturwandel, die sehr unterschiedlichen Betriebsformen, -größen und Spezialisierungen der Landwirtschaftsbetriebe macht es nicht einfacher. Die damit verbundenen sehr unterschiedlichen Risiken müssen besser berücksichtigt werden, ohne die Solidarität mit denen aufzukündigen, die auf diese soziale Absicherung angewiesen sind. Das ist jedenfalls für DIE LINKE ein wesentliches Kriterium in der Debatte.

Das trifft übrigens auch auf die Personalvertretungsrechte der Beschäftigten der Versicherungsträger zu. Sie müssen in alle, ihre Belange betreffende Entscheidungen frühzeitig und selbstverständlich wirkungsvoll einbezogen werden. Dazu haben sie Vorschläge gemacht, die ernsthaft diskutiert werden müssen.

Und um es zum Schluss noch einmal klar zu sagen: Eine Strukturreform, die sich am Ende auf ein Arbeitsplatzabbauprogramm bei den Trägern reduziert, wie zum Beispiel auch in der Agrarressortforschung, werden wir auf keinen Fall mitmachen. Solche Reformen lösen keine Probleme sondern schaffen nur neue, wenn auch vielleicht an anderer Stelle. Der Politik dürfen sie nirgendwo gleichgültig sein. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!