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!! ACHTUNG!! DIESE SEITE WIRD NICHT MEHR AKTUALISIERT. Bitte wenden Sie sich mit Ihren Anliegen nach dem Ende des Mandats von Dr. Kirsten Tackmann am 26.10.2021 an die aktuelle Linksfraktion im Bundestag. Für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und konstruktive Kritik der vergangenen 16 Jahre möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken.

Hier finden Sie den Redebeitrag von Kirsten Tackmann zum Thema Agrogentechnik, diesen hielt sie am Sonntag den 18. Mai in Berlin auf der Konferenz der Rosa Luxemburg Stiftung: "Natur als Beute".

Man kann das Thema Agro-Gentechnik aus ganz verschiedenen Blickwinkeln diskutieren.

Ich möchte das in meinem heutigen Vortrag vor allem aus einer linken, kapitalismus- und globalisierungskritischen Perspektive tun, die schon jetzt reale Auswirkungen und zukünftige Risiken jenseits einer reinen wissenschaftlichen Debatte schärfer benennt.

Denn es geht um eine zutiefst politische Auseinandersetzung, wenn wir den weltweiten Durchmarsch stoppen wollen.

Der Agrarausschuss des Bundestags war im Oktober 2006 in Rumänien. Hauptthema der Reise war der EU-Beitritt dieses Landes, der in wenigen Wochen stattfinden würde.

Wir sprachen mit Landwirten, dem Bauernverband, mit dem Landwirtschaftsminister und Parlamentariern über die aktuelle Situation in der rumänischen Landwirtschaft und die Erwartungen an die EU-Mitgliedschaft.

Von deutschen Umweltschutzorganisationen hatten wir die Information, dass in Rumänien gentechnisch veränderte Soja angebaut wird. In der EU war – und ist – dieser Anbau verboten. Ich fragte also den Landwirtschaftsminister, wie Rumänien mit dem EU-Anbauverbot nach dem Beitritt umgehen würde. Es wäre ja vielleicht nicht einfach, dann wieder gentechnikfrei anbauen zu müssen. Ich hätte Gerüchte gehört, dass auf 80.000 Hektar Gensoja wachsen würde. Die Antwort des Ministers: "Wieso 80.000? Es sind nach meinen Informationen 120.000 ha! Aber ab Januar ist das ausdrücklich verboten und selbstverständlich hält sich Rumänien daran". Die Körpersprache verriet eher das tiefe Unverständnis für das Anbauverbot. Unser Einwand, dass in Europa gerade gentechnikfrei produziertes Soja knapp würde und damit für Rumänien ein attraktiver Markt entstünde, schien ihm wenig zu überzeugen. Und auch der Bauernverband zeigte wenig Lust, auf die große Errungenschaft zu verzichten. Ich glaube, sie hielten unsere Kritik an der Agro-Gentechnik eher für ein Luxusproblem des Westens.

Das ist eine wichtige Frage, wenn wir über diese Risikotechnologie reden und Bündnispartnerinnen finden wollen: was erwarten Menschen eigentlich von der Agro-Gentechnik, insbesondere Landwirte oder Bäuerinnen und Bauern?

Die Nahrungsmittelsituation ist eines der dominierenden Themen der vergangenen Wochen. Manche sprechen auch von Nahrungsmittelkrise und vergessen oder ignorieren, dass aktuell und in absehbarer Zeit Hunger immer noch in erster Linie ein Verteilungsproblem ist und bleiben wird. Erst in zweiter Linie ist es ein Problem fehlender oder mangelhafter Nahrungsmittelproduktion in Krisenregionen. In dritter Linie oder vielleicht sogar zu allererst muss eine ganz andere Ursache benannt werden: Spekulationen auf den Agrarrohstoff- und Bodenmärkten. Selbst die Flächenkonkurrenz zwischen Lebens- und Futtermitteln dürfte aktuell eine größere Bedeutung haben als der Biomasse-Anbau, der jetzt allzu vorschnell als Grund für steigende Lebensmittelpreise herhalten muss.

Versorgungsengpässe werden oft gerade von Konservativen als Argument genutzt, für eine sehr scheinheilige Debatte, mit der sie eigentlich ganz andere Ziele verfolgen: Boden zurückzugewinnen, den fossile und atomare Energiekonzerne bereits an die erneuerbaren Energien verloren haben.

Womit ich das Spannungsfeld zwischen Nahrungs-, Futtermitteln und Biomasse nicht verharmlosen will – ich halte es aber für auflösbar. Zum Beispiel, wenn Agro-Treibstoffen nur dezentral erzeugt und genutzt werden.

Aber wir kommen wohl gerade zu weit weg vom eigentlichen Thema. Obwohl diese Debatte unbedingt dazu gehört! "Leere Bäuche oder volle Tanks"? Diese rhetorische Frage wird immer wieder gestellt.

Ich denke, es darf nicht heißen: entweder oder, sondern sowohl als auch! Und wer eine wirkliche Energiewende will, wird es so sagen müssen! Aber einfach ist dieser Konflikt zwischen Nahrungsmitteln und Energieversorgung nicht zu lösen. Das ist klar.

Es muss eine Lösung gefunden werden, die Versorgungssicherheit für beides gemeinsam denkt. Und die Probleme kommen noch dicker: angesichts der immer offensichtlicher werdenden Folgen des Klimawandels muss auch eine Lösung gefunden werden, um versalzte Böden oder vertrocknetes Ackerland wieder nutzbar zu machen. Pestizide – also Pflanzenschutzmittel – müssen eingespart werden. Und wir werden die Ackerbau-Erträge mit weniger Wasser erbringen müssen. Also: eine Vielzahl von Problemen müssen so schnell wie möglich gelöst werden, soll der Verteilungskampf um Nahrung, Wasser und Energie nicht eskalieren.

Dieser große Problemdruck – und damit komme ich zu meinem eigentlichen Thema – wird von bestimmten Kreisen mit einem Zauberwort beantwortet: Agro-Gentechnik!

Die Verheißungen bedienen nahezu alle Hoffnungen dieser Welt:

  • das Welthungerproblem wird gelöst.
  • Aus der Biomasse kann sehr viel mehr Energie gewonnen werden
  • Halbwüsten werden in fruchtbares Ackerland verwandelt
  • Pflanzenschädlinge haben keine Chance, der Pflanzenschutzmittelverbrauch sinkt drastisch.
  • genveränderte Pflanzen liefern gesündere Nahrungsmittel, Medikamente und Impfstoffe.

So, oder so ähnlich steht das in den Hochglanzbroschüren der Saatgutkonzerne, die gentechnisch verändertes Saatgut produzieren. Ein Schlaraffenland! Welches Agrar-Problem sie auch immer haben – Die Wunderwaffe Gentechnik löst es – spätestens in der Zukunft!

Ein Beispiel von der Homepage der BASF: "Die Gentechnik hilft uns, Pflanzen mit besonderen Eigenschaften auszustatten, die wir mit herkömmlicher Züchtung kaum erzielen könnten. Solche Eigenschaften sind z.B. verbesserte Inhaltsstoffe wie ungesättigte Fettsäuren sowie Trocken-, Salz- oder Kälteresistenz. Auch die Widerstandskraft gegenüber Krankheiten kann mit Hilfe der Gentechnik wirkungsvoll gesteigert werden. Schließlich können mit genveränderten Pflanzen hochwertige Substanzen ganz einfach auf dem Feld hergestellt werden. Das schont Ressourcen und spart Kosten."

Hört sich doch gut an, oder? Wie kann man nur gegen solche Beglückungen sein? Doch schauen wir uns die Realität an.

Als LINKE hat man ja ein gesundes Grund-Misstrauen gegen Ankündigungen von Konzern-Wohltaten für die Welt. Denn gesellschaftliche Interessen sind für solche Wirtschaftsstrukturen erfahrungsgemäß eher Zielkonflikte als glaubwürdige Handlungsmotivation. Informieren wir uns also bei der ISAAA, einer weltweiten Lobbyorganisation der Gentechnikverbände. Hier findet man die neusten Zahlen – und sie sind zumindest unverdächtig, Wohltaten für die Menschheit zu verschweigen. Auf über 114 Millionen Hektar werden aktuell laut ISAAA weltweit gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Humanistische Wohltaten von Monsanto und Co sucht man allerdings vergeblich Es dominieren herbizid- und insektenresistente Pflanzen.

Sieben von zehn transgenen Pflanzen schützen sich gegen Pflanzenschutzmittel. Ihr Anbau ermöglicht den Einsatz von Totalherbiziden, das heißt: alle Pflanzen werden vernichtet – außer der gentechnisch veränderten. Der wichtigste Effekt: Saatgutkonzerne kassieren doppelt ab!

Sie verdienen

1. an den patentierten transgenen Pflanzen. Das Saatgut ist teurer und darf auch nicht nachgebaut werden – ein uraltes historisches Recht der Bauernschaft! Außerdem fallen Lizenzgebühren an – spätestens nach Markteinführung. Als Lockangebot wird dagegen oft zunächst darauf verzichtet. In Argentinien ist sogar versucht worden, diese Lizenzgebühren nachträglich zu erheben.

2. Sie verdienen am dazugehörigen Pflanzenschutzmittel, das verwendet werden muss, soll das System funktionieren.

Mit diesem Koppelgeschäft wird Geld verdient, nicht mit salz- und dürreresistenten Pflanzen für arme Kleinbauern!

Wer glaubt auch ernsthaft, dass sich die Saatgutkonzerne für eine humanistische Wohltat entscheiden, wenn sie mit anderen Strategien richtig Geld verdienen können?

Es ist also alles andere als ein Zufall, dass durch gentechnisch veränderte Pflanzen zumindest im Moment keine Menschheitsprobleme gelöst, sondern vor allem die Erwartungen an die Kapitalrendite erfüllt werden! Für uns LINKE ist das allerdings auch keine Überraschung.

Die Saatgutmulties gehen sogar noch einen Schritt weiter: sie erfinden Probleme, für die sie dann die Lösung anbieten!

Ein Beispiel: Der Maiszünsler ist nur in einigen wenigen Regionen unseres Landes ein wirtschaftliches Problem – und auch das meistens nur, wenn die gute landwirtschaftliche Praxis nicht eingehalten wurde. Trotzdem hat die aggressive Markteinführungsstrategie von Monsanto Erfolg: es wird genetisch veränderter, Maiszünsler-Gift produzierender Mais wird in Gebieten angebaut, wo es gar keine wirtschaftliche Bedrohung mit diesem Schädling gibt. Es wird also ein Problem gelöst, das keines ist, gleichzeitig werden aber neue geschaffen. Sinn macht das nicht wirklich.

Fazit: Die Gentechnikkonzerne versprechen viel, halten aber wenig – gemessen an den wirklichen Weltproblemen zumindest.

Deshalb ist es gerade für DIE LINKE besonders wichtig, über die wirklichen Konzernstrategien aufzuklären.

Es geht eben nicht nur um eine wissenschaftliche Debatte über den Nutzen und die Risiken einer Technologie! Es muss vielmehr über das politische und wirtschaftliche System diskutiert werden, in der sie angewandt wird: im neoliberal globalisierten Kapitalismus, in dem bereits erkämpfte ökologische und soziale Errungenschaften immer öfter wieder unter die Räder kommen! Es ist Teil dieses Systems, dass Saatgutmulties auf´s Ganze gehen.

Die Agro-Gentechnik ist für sie nur eine Karte im Poker-Spiel, in dem es um Macht und den Zugang zu Ressourcen geht.

Wer die Nahrungsmittelproduktion kontrolliert, hat die größte Macht die man sich überhaupt vorstellen kann. Der Profitmaximierung steht dann kaum mehr etwas im Wege. Auf einen iPod kann man in der größten Not verzichten – auf Essen und Trinken nicht. Trends zunehmender Abhängigkeit und wachsender Konzentration in Monopolstrukturen müssen uns gerade im Lebensmittelbereich misstrauisch machen!

Allerdings ist Agro-Gentechnik selbst auch nur eine der Spielkarten, wenn auch eine besonders hohe.

Mit dem internationalen Patentrecht als zusätzlichen Joker wird Unschlagbarkeit erreicht: alle anderen Spieler können nur verlieren. Das ist das Millionenspiel für die Pharma- und Agroindustrie.

Doch die Verlierer werden gern verschwiegen: • eine zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft führt zu weniger Arbeitsplätzen, weniger Vielfalt der Ackerkulturen, eintönige Landschaftsbilder • wer im Spiel nicht mithalten kann, wird von seinem Land vertrieben • landwirtschaftliche Betriebe in der so genannten 1. Welt, aber auch Kleinbäuerinnen und Kleinbauern im Süden werden in eine fatale Abhängigkeit getrieben. Sie werden zu feudalen Tributzahlern.

Statt des versprochenen Reichtums wird Zwietracht gesät und die Armut vergrößert. Das sind die Erfahrungen jenseits der Hochglanzbroschüren der Agro-Gentechnik-Konzerne.

Dazu können die Kolleginnen und Kollegen aus Mali, Mexiko und Chile nachher sicher noch mehr sagen. Die vielleicht berühmteste und am meisten aufklärende Geschichte können die Träger des letztjährigen alternativen Nobelpreises erzählen: Percy und Louise Schmeisser.

Beide bewirtschaften einen für deutsche Maßstäbe relativ großen Bauernhof in Canada.

Monsanto hat sie auf fast 2o.ooo Dollar verklagt, weil sie angeblich gentechnisch veränderten Raps angebaut und vermarktet haben. Ohne Genehmigung und ohne Zahlung der fälligen Lizenz-Gebühr pro ha. Für diesen Raps hält Monsanto noch bis 2010 das Patent. Percy Schmeiser lehnte die Zahlung jedoch ab, weil die Saat gegen seinen Willen von vorbeifahren Lastwagen oder von Wind oder Wasser von benachbarten Feldern auf sein Land gebracht worden sei. Es kam zu einem jahrelangen erbitterten gerichtlichen Streit bis zum Obersten Gerichtshof Kanadas. Die Niederlage hätte für Percy Schmeisser mehr als 1oo.ooo Dollar Gerichtskosten verursacht. Aber er hielt durch! In einer spektakulären außergerichtlichen Einigung übernahm Monsanto die Verantwortung für die gentechnische Verunreinigung der Rapsfelder von Percy und Louise Schmeisser!

Für sie ist es also gut ausgegangen. Aber bei all der Freude über diesen Sieg sollten wir nicht vergessen: Millionen Menschen weltweit werden weder Geld, noch die breite internationale Unterstützung haben, um sich gegen Monsanto und Co zur Wehr zu setzen.

Diese "Zweite grüne Revolution", von der Vandana Shiva spricht, frisst schon jetzt viele ihrer Kinder, Und sie wird "Gegen die Mehrheit" durchgesetzt, wie im Titel meines Vortrages formuliert.

Natürlich ist nicht jede Position schon deshalb richtig, nur weil sie die Mehrheit vertritt. Aber gerade deshalb ist die Frage gerade für uns LINKE sehr wichtig: Warum sind so viele Menschen in Deutschland und der EU gegen die Anwendung der Agro-Gentechnik?

Sind das alles Unwissende, wie FDP und CDU behaupten?

Der – leider immer noch – amtierende US-Präsident Bush sagte 2003: die "unbegründeten, unwissenschaftlichen Ängste" der Europäer vor der Agro-Gentechnik seien Schuld daran, dass die Hungerfrage noch nicht gelöst sei.

Woher nimmt dieser selbsternannte Experte eigentlich seine Gewissheit?

Ich jedenfalls habe mehr Zweifel als Gewissheiten: Dabei bin ich zunächst als Tierärztin eher aufgeschlossen an die Frage nach den Chancen der Agro-Gentechnik herangegangen. Erst die nähere Auseinandersetzung mit dem Thema hat mir die Augen für die Risiken geöffnet Es gibt mindestens drei zentrale Gefahren: für die Umwelt, für die Landwirtschaft und für uns Menschen.

Die sollten wir uns mal näher ansehen.

1. Umweltgefahren:

  • da ist zunächst die Unkontrollierbarkeit der Ausbreitung der gentechnisch veränderten Pflanzen in die Umwelt über Auskreuzung. Das setzt voraus, dass natürliche Kreuzungspartner vorhanden sind. In Deutschland ist dieses Risiko vor allem beim Raps hoch. Er kann sich zum Beispiel mit Rübsen und Senf kreuzen. Wenn die neuen Gensequenzen der Pflanze einen Standortvorteil verschaffen, können sie wohl nicht wieder zurückgeholt werden. Ein floristischer Super-GAU, denn selbst atomare Strahlung baut sich irgendwann ab. Daher sind Vergleiche zwischen den Risiken der Atomenergie und der Agro-Gentechnik gar nicht abwegig.
  • Hinzu kommt eine weitere Gefahr, wenn sich Resistenzen gegen Pflanzenschutzmittel auf andere Unkräuter übertragen können so genannte Superunkräuter entstehen.
  • Aber auch genetisch veränderte Pflanzen ohne einheimische Kreuzungspartner stellen ein Umweltrisiko dar. wenn ihr Pollen von Insekten als Nahrung genutzt wird. Oder, wenn sie Bodenorganismen beeinflussen. Wenn sich das vom gentechnisch veränderten Mai produzierte Toxin im Boden anreichert. Oder, wenn Planzenteile von Wildtieren gefressen werden.

2. Gefahren für die Landwirtschaft:

  • Hier besteht das Risiko ungewollter, nicht vermeidbarer Auskreuzung gentechnisch veränderter Sequenzen in konventionelle Ackerkulturen. In Canada gibt es bereits keinen gentechnikfreien Raps mehr, obwohl nicht alle Landwirte Gen-Raps anbauen. Er ist unterdessen einfach überall.
  • Im mexikanischen Mais-Ursprungsgebiet, in dem mehrere hundert uralte Sorten angebaut werden, wurden plötzlich gentechnisch veränderte Sequenzen nachgewiesen, obwohl dort nie solcher Mais angebaut wurde. Das bedeutet: diese so wertvolle genetische Reserve ist bedroht
  • Das Auskreuzungsrisiko ist dabei nur ein Verunreinigungsweg, vielleicht nicht mal der wichtigste. Viel größer ist das Risiko bei der Ernte, Lagerung, Verarbeitung oder Handel. Damit wird die gentechnikfreie Landwirtschaft doppelt gestraft. Erstens kann ihre Ernte verunreinigt und damit wertgemindert werden. Zweitens zahlen sie die Kosten der Vermeidung von Verunreinigungen oder des Nachweises die Reinheit ihrer Produkte. Konkrete Beispiele sind zusätzliche Laboranalysen oder eine teure getrennte Lagerung.
  • Dass die Ausbreitung nicht kontrollierbar ist hat spätestens die Geschichte mit dem Reis LL601 gezeigt: aus einem kleinen Versuchsanbau in den USA, der wegen Bedenklichkeit eingestellt wurde, wurde dieser Reis schließlich weltweit in den Regalen von Supermärkten nachgewiesen. Die Erntemenge des Versuchsanbaus hätte dafür niemals ausgereicht! Der volkswirtschaftliche Schaden dieser illegalen Verbreitung betrug allein in Deutschland 10 Millionen Euro.
  • Aber es gibt noch mehr Gefahren. Da die genetischen Veränderungen nicht gezielt, sondern nach dem Zufallsprinzip eingebaut werden, ist der Aufwand für eine "erfolgreiche" Manipulation extrem hoch. Weil sich dieser Aufwand nur für eine begrenzte Anzahl Sorten lohnt, ist eine Verarmung der Sortenvielfalt gar nicht zu vermeiden.

Diese beiden Risiken zeigen, dass die so genannte Koexistenz zwischen dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf der einen und der gentechnikfreien Landwirtschaft, Imkerei und der Umwelt nicht funktioniert – schon gar nicht auf Dauer. Wenn Minister Seehofer und andere Verantwortungsträger diese Koexistenz als eine Vorbedingung der Nutzung erklären, müssten sie konsequenterweise die Nutzung untersagen!

3. Das dritte Risiko besteht für uns selbst und für unsere Nutztiere. Niemand weiß genau, welche Auswirkungen der Verzehr transgener Pflanzen hat. Es wird blind ein Gen verändert – was diese Veränderung des Erbgutes auf der Eiweißebene wirklich verändert, ist kaum abschätzbar. Langzeituntersuchungen fehlen für Lebensmittel ebenso wie für Versuchstiere. Für den Genmais MON 810 wurde eine Studie an Ratten durchgeführt, der gerade mal 60 Tage dauerte. Für die Testung chronischer Wirkungen sicher zu kurz. Und es gab ja schon Zwischenfälle! Die StarLink-Geschichte ist wohl die berühmteste. Außerdem hält sich hartnäckig der Verdacht, dass plötzlich aufgetretene Reproduktionsstörungen bei Rindern und Schweinen in den USA durch gentechnisch veränderte Futtermittel verursacht wurden.

Aber neben diesen ökologischen und gesundheitlichen Risiken gibt es noch ein viel grundsätzlicheres Problem: Die Agro-Gentechnik ist ein Risiko für die Demokratie.

Die Technologie selbst ist natürlich nicht der Grund. Aber die Konzerne, die ihre Machtinteressen mit der Agro-Gentechnik durchsetzen.

Die Agro-Gentechnik ist über das Patentrecht ein Angriff auf die Selbstbestimmung der Bäuerinnen und Bauern und landwirtschaftlichen Betriebe. Und genau das ist ja auch das – allerdings nicht offen ausgesprochene – Ziel.

Das führt uns automatisch zu der Frage: was können wir gemeinsam dagegen tun?

Kommen wir also zum zweiten Teil meines Vortrag-Titels: Das Abenteuer!

Natürlich ist das Wort Abenteuer vor allem positiv besetzt.

Aber im Augenblick geht es bei der Agro-Gentechnik eher um den Überlebenskampf der gentechnikfreien Landwirtschaft und Imkerei.

Es ist ein Kampf mit ungleichen Waffen: David gegen Goliath!

Die Agrokonzerne verfolgen eine Tarnkappenstrategie. Mit Millionen versuchen sie, direkt oder indirekt Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen: bei Politikerinnen und Politikern, Behörden und Medien.

Es sollte uns Demokratinnen und Demokraten durchaus sehr nachdenklich stimmen, wie erfolgreich die Unterwanderung funktioniert. Vor einigen Jahren hat eine Enquete-Kommission des Bundestages festgestellt, dass die Wirtschaft und nicht mehr die Politik das Primat in diesem Staat hat. Gerade erst hat der Bundesrechnungshof berichtet, in wie vielen Fällen Lobbyisten die Bundesregierung nicht nur beraten, sondern Gesetzentwürfe verfassen. Das Wort Lobbykratie macht die Runde.

Diese beunruhigende Einflussnahme lässt sich wohl auch beim Thema Agro-Gentechnik nicht länger leugnen.

Die aktuelle Studie "Kontrolle oder Kollaboration? Agro-Gentechnik und die Rolle der Behörden" weist auf ein Beziehungsgeflecht hin.

Die Verquickung von Behörden, die eigentlich kontrollieren sollen, mit der Forschungslandschaft der Konzerne ist dicht und kaum zu durchdringen. Dabei geht es natürlich auch um Geld. Wie immer. Interessant: 60% der Freisetzungsversuche werden hierzulande von staatlichen Einrichtungen und Universitäten beantragt, steht im gerade dem Bundestag vorgelegten Bericht der Bundesregierung zum Gentechnikgesetz. Bei der immer wieder beklagten Knappheit der Forschungsmittel drängt sich die Frage auf, ob im öffentlichen Interesse geforscht wird oder ob Fördertöpfe im Konzerninteresse gefüllt werden? Von der Frage nach der Unabhängigkeit der Forschung mal ganz abgesehen!

Natürlich brauchen wir politikberatende Forschung, keine Frage. Nur: wenn dieselben Personen in den zuständigen Behörden und in Agro-Gentechnik-Lobbyverbänden vertreten sind, ist eine Neutralität anzuzweifeln.

Auf der anderen Seite haben wir eine bunte Vielfalt von Kritikerinnen und Kritikern. Manche knüpfen an ihre Erfahrungen in der Anti-AKW- und in der Globalisierungsbewegung an. Andere machen vor allem ethische Bedenken geltend.

Sie nutzen ganz legale Protestformen – wie Pfingstmontag mit einer Demo von 6.000 Menschen in Bonn gezeigt – oder auch illegale: zum Beispiel Feldbesetzungen, mit denen in diesem Frühjahr besonders zahlreich die Freisetzung transgener Pflanzen verhindert werden sollten und wurden. In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Genmaisfelder "befreit".

Alle anderen Fraktionen im Bundestag bleiben bei der mehr oder weniger scharfen Verurteilung der Sachbeschädigungen stehen.

Aber wie auch immer man zu dieser Protestform steht, eine Forderung habe ich gegenüber meinen Kolleginnen und Kollegen in den Bundestagsdebatten zu diesem Thema immer erhoben: Stellen sie sich doch mal die Frage, warum Menschen zu zivilem Ungehorsam und illegalen Protestmethoden greifen! Gerade meine ostdeutsche Biographie mahnt mich sehr eindringlich, solche Fragen zuallererst zu stellen! Ist es die Ohnmacht, die viele empfinden, weil sie nicht mal gefragt werden? Warum misstrauen sie Politik, Behörden und vor Allem der Europäischen Zulassungspraxis?

Dazu kann uns Jutta Sundermann morgen sicher noch mehr sagen.

Fest steht: DIE LINKE hat die Zulassungspraxis der EFSA – das ist die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit – immer hinterfragt und Korrekturen gefordert. Aufgabe der EFSA ist es, die Genpflanzen auf Unbedenklichkeit zu prüfen und eine Stellungnahme abzugeben. Die Zulassungspraxis und die Prüfkriterien dieser Behörde stehen jedoch schon seit Langem unter heftigem Beschuss. Dieses Zulassungsverfahren ist aus unserer Sicht weder transparent noch sichert es die Interessen der gentechnikfreien Landwirtschaft und Imkerei im Sinne der Vorsorge.

Außerdem ist die Verquickungen zwischen Industrie und Behörden so dicht, dass eine unabhängige Bewertung der GVO eher in Frage steht. Aber gerade bei einer Risikotechnologie wie der Agro-Gentechnik ist aus unserer Sicht die unabhängige Beobachtung und Bewertung Vorbedingung ihrer Anwendung!

Warum verpflichten wir die Industrie nicht zur Finanzierung eines Fonds, aus welchem kritische und unabhängige Risikoforschung bezahlt wird und auch alle anderen volkwirtschaftlichen Kosten und Haftungsrücklagen! Ein europäisches Kompetenzzentrum könnte die Prüfungen transparent und sicher durchführen.

Daran hat die Industrie natürlich kein Interesse! Sie kennen ja die Risiken viel zu genau. Sicher kennen einige von Ihnen den vielbeachteten Dokumentationsfilm "Die Genverschwörung".

Die 45 Minuten investigativer Journalismus zeichnen ein bedenkliches Bild der zwielichtigen Rolle der beiden zuständigen Sicherheitsbehörden in den USA und in der EU. In Amerika ist das die FDA, bei uns die bereits erwähnte EFSA. Manfred Ladwig hat bei seinen Recherchen unter anderem aufgedeckt, dass der amerikanische Gentechnikkonzern Monsanto eigene Leute in die politischen Schaltzentralen und der Zulassungsbehörde platziert hat. Weltweit werden die Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Pflanzen offensichtlich erheblich beeinflusst – zum Nachteil von Verbrauchern, Landwirten und mittelständischen Handels- und Saatgutunternehmen.

Doch wer glaubt, dass das nur in den USA so wäre, irrt. Auch die personellen Verbindungen zwischen dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), sowie verschiedenen Lobbyorganisationen der Agro-Gentechnik sind vielfältig – auffällig hier der Gesprächskreis Grüne Gentechnik oder der Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik, Wer hier eigentlich wen kontrolliert, wer welche privaten Interessen verfolgt und wer für das hohe Schutzgut der gentechnikfreien Landwirtschaft wirklich eintritt bleibt offen – im günstigsten Fall.

Gegen so viel Geld, Macht und mysteriöse Netzwerke ist Widerstand schwer – in und außerhalb von Parlamenten, aber auch auf Regierungsbänken. Glücklicherweise gibt es ihn in verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten, die mit gutem Beispiel voran gehen und der Agro-Gentechnik die rote Karte zeigen. An aktivsten ist dabei die Republik Österreich, es gibt aber auch Gegenwehr aus Polen, Frankreich und Rumänien.

Unsere südlichen Nachbarn aus der Alpenrepublik können uns wirklich noch was zeigen, wie man das europäische Regelwerk nutzen kann, um die gentechnikfreie Landwirtschaft und Imkerei bestmöglich zu schützen.

Es gibt in der EU-Freisetzungsrichtlinie eine so genannte Schutzklausel. Diese Klausel ermächtigt die Mitgliedsstaaten zu nationalen Schutzmaßnahmen gegen gentechnisch veränderte Pflanzen. Auf dieser Grundlage darf in Österreich kein Genmais MON 810 angebaut werden. Und auch der Handel mit verschiedenen anderen transgenen Maislinien wurde verboten. Leider hat die EU-Kommission vor zwei Wochen das österreichische Handelsverbot aufgehoben. Der Handel mit zwei Maislinien muss wieder zugelassen werden. Eine Klage der WTO und die Androhungen von Strafzöllen auf österreichische Produkte – zum Beispiel Red Bull – hat dazu geführt, dass sich die EU-Kommission auf die Seite der neoliberalen Regierungspolitik der USA und Kanada gestellt hat.

Die Antwort Österreichs ist bemerkenswert: sie handeln nun einfach freiwillig nicht mit diesen Pflanzen!

DIE LINKE fordert ganz klar rechtliche Rahmenbedingungen für die souveräne Entscheidung von Regionen, auf diese Risikotechnologie zu verzichten, Wenn die Prinzipien der WTO das nicht zulassen, sind die Prinzipien inakzeptabel! In Deutschland gibt es eine gesellschaftliche Mehrheit für kritische oder ablehnende Positionen. Es gibt dafür auch eine parlamentarische Mehrheit: DIE LINKE, die SPD und die Grünen weisen immer wieder auf die Risiken der Agro-Gentechnik hin. Im Bundestag gehört auch die CSU zu diesem politischen Lager.

Trotzdem werden Millionen Forschungsgelder für die Agro-Gentechnik zur Verfügung gestellt. Für Sicherheitsforschung wäre das ja noch berechtigt, Aber für Produktentwicklung sollten Steuergelder nicht ausgegeben werden.

Und es geht ja nicht nur ums Geld, sondern auch den rechtlichen Rahmen: Das Gentechnikgesetz wurde leider so novelliert, dass am Ende die Interessen der Genbauern über die der gentechnikfreien Landwirtschaft und Imkerei gestellt wurden. Ehrlichkeitshalber muss man allerdings dazu sagen: es hätte noch schlimmer kommen können, wenn es nach weiten Teilen der CDU und nach der FDP gegangen wäre.

Dass es auch ganz anders geht, zeigt ein Beispiel aus dem hessischen Landtag. Dort fand ein Antrag der Grünen die Zustimmung der SPD und der LINKEN. Die Regierung Koch muss nun dafür sorgen, dass keine Genpflanzen auf landeseigenen Flächen angebaut werden. Das bedeutet: auch keine Versuche der hessischen Unis, zumindest nicht auf öffentlichen Flächen!

"Die Natur als Beute". So lautet das Motto dieser Veranstaltung. So lautet wohl auch die interne Firmenphilosophie von Monsanto, BASF, Bayer und Co.

"Der Mensch als Beute" wäre genauso richtig. Aber Menschen und Natur war Monsanto schon immer ziemlich egal. Das wohl bekannteste Produkt aus dem Hause Monsanto war Agent Orange. Dieses Entlaubungsmittel hat in Vietnam nicht nur für unendliches menschliches Elend und Leid gesorgt. Die Nachwirkungen sind noch heute spürbar, obwohl der Krieg mehr als 30 Jahre vorbei ist. Auch tausende US-Soldatinnen und Soldaten wurden verwundet und zu Krüppeln gemacht. Aber Agent Orange hat auch eine der gigantischsten durch Menschen gezielt ausgelöste Umweltzerstörungen verursacht.

Die Agro-Gentechnik für sich gesehen ist natürlich weder gut noch böse. Auch eine Pistole erschießt selbst keinen Menschen, sondern der Schütze. Deshalb muss gerade DIE LINKE. die gesellschaftlichen Ursachen klar benennen, die das Risiko verstärken. Systemkritik gehört für uns unbedingt zu dieser Debatte.

Das hat übrigens nichts mit Technologiefeindlichkeit oder Maschinenstürmerei zu tun. Im Gegenteil. der LINKEN geht um Vorsorge und den Schutz von Mensch und Umwelt vor den kurzfristigen Gewinninteressen internationaler Saatgutkonzerne. Das ist die aktuelle politische Zuspitzung der Debatte, in der DIE LINKE klar die Schutzinteresen der gentechnikfreien Landwirtschaft und Imkerei sowie der Verbraucherinnen und Verbraucher vertritt.

In diesem Sinne wünsche ich uns heute Abend und morgen eine spannende Debatte. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.