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!! ACHTUNG!! DIESE SEITE WIRD NICHT MEHR AKTUALISIERT. Bitte wenden Sie sich mit Ihren Anliegen nach dem Ende des Mandats von Dr. Kirsten Tackmann am 26.10.2021 an die aktuelle Linksfraktion im Bundestag. Für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und konstruktive Kritik der vergangenen 16 Jahre möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken.

Rede zur Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen "Dem Verlust an Agrobiodiversität entgegenwirken", DS 16/5413 und 16/5752; die Rede wurde zu Protokoll gegeben.

Herr/Frau Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste,

bereits Ende Mai haben wir uns mit der Agro-Biodiversität befasst. Leider ging der gute Antrag der Kolleginnen und Kollegen der grünen Fraktion während der Debatte zum schwarz-roten Placebo-Antrag zur Biodiversitätsstrategie etwas unter. Das ist schade, denn die Artenvielfalt auf und neben dem Acker sowie in den Ställen ist mindestens genauso wichtig wie die Biodiversität in der Natur. Und mindestens ebenso gefährdet!

Im Antrag wird auf das in der Öffentlichkeit kaum beachtete Problem des Artenrückgangs bei Nutzpflanzen und Nutztieren hingewiesen. Dabei hat dieser Verlust der Artenvielfalt schwerwiegende Konsequenzen: er bedeutet Verlust an genetischem Anpassungspotential. Damit wird unter anderem die Ernährungssicherung unserer Zukunft gefährdet. Wir brauchen eine große Vielfalt der Rassen, Sorten und Ökosysteme um die zukünftigen Herausforderungen der Land- und Forstwirtschaft bewältigen zu können. Die Herausforderungen werden durch den Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Agrarökosysteme eher größer als kleiner.

Doch dieser Rückgang an Agrobiodiversität passiert nicht so einfach von allein. Schauen wir also genauer hin: Er ist vor allem die Folge eines rücksichtslosen Kampfes um eine weltweite Konzentration von Wirtschaftsmacht in immer weniger Händen und es geht um Marktanteile! Wir als LINKE haben dabei ein besonders kritisches Auge auf die Machenschaften der weltweit agierenden Agrarkonzerne. Der Saatgutmarkt wird zum Beispiel unterdessen von fünf großen Unternehmen beherrscht. Diese interessieren sich für den Erhalt der Sortenvielfalt nur dann, wenn es ihren eigenen Interessen entspricht – als Ressource für noch mehr Profit und noch mehr Marktmacht! Ein freier Zugang aller Bäuerinnen und Bauern zum Saatgut ist in ihrer Welt nicht wichtig. Einzig die profitorientierte Vermarktung weniger Sorten ist von Bedeutung und wird durch das Patentrecht gesichert. Patente auf Tiere und Pflanzen schützen aber nur die Interessen der Agrarkonzerne. Sie eignen sich privat den natürlichen Reichtum an. Er gehört aber uns allen! Daher ist der Patentschutz nicht im Interesse der Bäuerinnen und Bauern, der Landwirtinnen und Landwirte und der Verbraucherinnen und Verbraucher! Deshalb ist für meine Fraktion DIE LINKE. ganz klar: Patente auf Lebewesen sind absurd und wir lehnen sie ab! Der öffentliche Zugang zu den natürlichen Ressourcen muss gewährleistet bleiben. Das dient gleichzeitig auch dem Schutz der Artenvielfalt in Natur und Landwirtschaft! Agrobiodiversität und die Debatte darüber darf aus Sicht meiner Fraktion auf keinen Fall dazu führen, dass nun die Agro-Gentechnik hoffähig gemacht wird. Diese erhöht nicht, sondern gefährdet die Artenvielfalt! Besonders problematisch ist die Nutzung dieser Risikotechnologie in der Nähe von Genbanken, in denen Sorten durch Anbau konserviert werden. Daher tritt DIE LINKE. auch konsequent gegen die Nutzung der Agro-Gentechnik in der Nähe der Genbank für Kulturpflanzen in Gatersleben ein! Darüber gab es in diesem Jahr ja schon mehrere Debatten. Man kann vielleicht über die Höhe des Kontaminationsrisikos streiten. Aber es ist nicht zu verstehen, warum es ausgerechnet an diesem Ort überhaupt eingegangen werden muss. Denn zumindest den Risikofaktor "menschliches Versehen" wird man niemals ausschließen können. Die Grünen führen in ihrem Antrag aus, die Aufhebung der obligatorischen Flächenstilllegung könnte ein weiteres Artensterben der Agrarökosysteme zu Folge haben. Diese Gefahr sehen wir in der Tat auch. Allerdings muss diese Diskussion auch im Zusammenhang mit dem aktuell steigenden Bedarf an nachwachsenden Rohstoffen, insbesondere für die energetische Nutzung, geführt werden. Der damit verbundene steigende Flächenbedarf ist unbestritten. Außerdem ist der Anbau von Biomasse nicht automatisch, aber eben in vielen Fällen energie- und klimapolitisch sinnvoll. Andererseits ist auch nicht jede Flächenstilllegung automatisch naturschutzfachlich wertvoll. Daher begrüßt DIE LINKE das Aussetzen der obligatorischen Flächenstilllegung. Gleichzeitig machen wir uns Gedanken um den Ersatz der damit wieder reduzierten Rückzugsräume für bedrohte Pflanzen- und Tierarten im Agrarökosystem. Wir fordern, das Aussetzen der Flächenstilllegung durch eine Verstärkung anderer Agrarumweltmaßnahmen und ökologisch sinnvoller Marktanreizprogramme zu begleiten. Ziel muss unter anderem der Erhalt oder die Verbesserung der Agrobiodiversität sein. Darüber haben wir gestern im Agrarausschuss ja bereits gesprochen. Es wäre zum Beispiel denkbar, die ökologisch sinnvolle Gestaltung von Ackerseitenrändern als gesellschaftlich sinnvolle Arbeit der landwirtschaftlichen Betriebe zum Erhalt der Kulturlandschaft noch konsequenter zu fördern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen.

Die Agrobiodiversität ist öffentlich kaum beachtet, obwohl sie im Interesse der gesamten Gesellschaft liegt! Sie bietet unsere genetische Rückversicherung für zukünftige Herausforderungen in der Landwirtschaft – ich nenne hier beispielhaft Tierseuchen, Trockenheit, Kälte, Standortangepasstheit – und ist andererseits Zeugnis unserer Jahrhunderte alten landwirtschaftlichen Geschichte. Damit ist die Artenvielfalt unserer Nutztiere und -pflanzen auch ein Wert an sich – ökologisch und kulturhistorisch gleichermaßen. In diesem Sinne stimmen wir dem grünen Antrag zu, auch wenn wir nicht jeden einzelnen Vorschlag mit der gleichen Vehemenz unterstützen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.