„Mindestens haltbar bis 31.12.2011.“ Viele denken dieser Joghurt könnte bis Silvester verzehrt werden, müsse aber nach Neujahr in den Müll. Das im Jahr 1984 in der Bundesrepublik eingeführte Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) sollte Klarheit schaffen, verwirrt aber in der Realität. Denn das MHD wird fälschlicherweise oft als maximales Verzehrdatum angesehen. Ein Irrtum mit verheerenden Folgen.
Der Film „taste the waste“ hat das Problem thematisiert. Der Dokumentarfilmer Valentin Thurn geht davon aus, dass 15 Millionen Tonnen Lebensmittel in Deutschland jährlich im Abfall landen, von denen 50 Prozent ohne Risiko hätten verzehrt werden können. Das ist in einer Welt mit fast einer Milliarde hungernden Menschen eine inakzeptable Wahrheit. Wie also kann die Lebensmittelverschwendung reduziert werden? Wie viel Äcker könnten dann in Europa für andere Zwecke wie Naturschutz genutzt werden und zur Produktion von Bioenergie oder Futtermitteln, statt dafür in der Dritten Welt soziale und ökologische Problemen zu verursachen?
Agrarrohstoffe oder Lebensmittel gehen auf dem Acker, bei der Ernte, bei der Lagerung, der Verarbeitung sowie im Handel verloren. Nicht jeder Verlust ist vermeidbar, aber viele. Z. B. sind die Handelsnormen der EU seit Jahren in der Kritik. Normen zur Bananen-Krümmung oder Gurken-Länge sind besonders unsinnig. Trotzdem wurden sie nur teilweise korrigiert.
Die konsequente Verringerung der Lebensmittelverschwendung ist ein schwieriger, aber notwendiger Weg, zu dem wir moralisch verpflichtet sind. Darüber hat der Agrarausschuss des Bundestages debattiert.
Ein erster Schritt kann am heimischen Kühlschrank gegangen werden, wenn die Kenntnisse zum MHD verbessert werden. Es ist kein Verfallsdatum, sondern eine Herstellergarantie. Der Lebensmittelproduzent garantiert bis zum MHD die Qualität des Produktes, also die Identität des Geschmacks, der Eigenschaften oder der Farbe wie direkt nach Herstellung. Aber auch nach Ablauf des MHD bleibt das Lebensmittel verzehrfähig. Deshalb verwirrt und verunsichert dieses Kennzeichnungssystem Verbraucherinnen und Verbraucher und es fördert die Lebensmittelverschwendung.
Leider wird das MHD auch nicht von einer staatlichen Stelle, sondern vom Hersteller festgelegt. Und mancher Hersteller könnte Interesse an einem frühen MHD haben, das einen schnellen Neukauf fördert.
Daher müssen neue Vorschläge diskutiert werden. Der Agrarausschussvorsitzende Goldmann (FDP) schlug eine doppelte Kennzeichnung vor: voller Genuss bis Tag X, verzehrfähig bis zum Tag Y. Eine interessante Idee, wenn sich diese Daten an wissenschaftlichen Analysen orientieren und die Angaben von unabhängigen Dritten statt von den Herstellern festgelegt werden. Ministerin Aigner hält von Änderungen hingegen wenig. 2012 soll es nur eine Studie zur Lebensmittelverschwendung geben. Das ist ein zu zögerlicher erster Schritt. Er kann aber wenigstens interessante Informationen liefern.