Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Debatte geht es auch um Anträge der FDP zu sogenannten neuen Methoden in der Pflanzenzüchtung. Ich sage „sogenannt“, weil es eigentlich nur um neue Formen der Gentechnik geht. Das sagen nicht nur ich oder Die Linke, sondern das sagt auch der Europäische Gerichtshof. Und er hat recht, denn da, wo das Genom direkt technisch verändert wird, ist es Gentechnik.
(Zuruf von der LINKEN: Richtig!)
Beim Lesen der Anträge fiel mir unwillkürlich einer meiner Lieblingsfilme ein: „Und täglich grüßt das Murmeltier“. In diesem Film erlebt Hauptdarsteller Bill Murray einen bestimmten Tag immer wieder neu, bis er ein besserer Mensch geworden ist. Wie lange die FDP ihr Mantra von den Heilsversprechen gentechnisch veränderter Pflanzen noch wiederholt, weiß ich nicht.
(Mario Brandenburg (Südpfalz) (FDP): Bis Sie bessere Politik machen!)
Da ich mir aber die Erlösung durch Einsicht bei der FDP nicht vorstellen kann, dauert das bedauerlicherweise wahrscheinlich noch bis in alle Ewigkeit.
Dabei sind die Versprechen doch längst gebrochen. Gentechnisch veränderte Pflanzen haben vor allen Dingen Saatgut- und Chemiemultis reich gemacht;
(Amira Mohamed Ali (DIE LINKE): Richtig! So ist es! – Jan Korte (DIE LINKE): Genau!)
diese haben aber nicht den versprochenen essenziellen Beitrag zur weltweiten Ernährungssicherung durch weniger Pestizide oder weniger Düngemittel geleistet. Das Risiko und die Folgeschäden tragen meist nur die Betroffenen, ob die Baumwollbauern in Indien oder wir als ganze Gesellschaft. Und was in manchem innovativen Start-up beginnt, endet leider zu oft doch wieder bei denselben großen Konzernen.
(Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau so ist es!)
Aber gerade bei Lebensmitteln sollten nicht Bayer und Co entscheiden, was auf unserem Acker oder später auf dem Teller landet, sondern der Agrarbetrieb nebenan.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Linke ist nicht technologiefeindlich, aber eben auch nicht technologiegläubig. Die diesjährige Nobelpreisträgerin Emmanuelle Charpentier, Erfinderin der Genschere, hat laut „Ärzteblatt“ schon 2018 gefordert: „Wir brauchen eine verstärkte Debatte und internationale Regularien zu den potenziellen Risiken von CRISPR/Cas9 als Gen-Editing-Technik.“ Da hat sie vollkommen recht.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Rainer Spiering (SPD) und Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Sie ist im Übrigen auch gänzlich ungeeignet als Kronzeugin der FDP.
Eine Technologie selbst kann nichts dafür, wenn sie unvorsichtig ge- oder gar missbraucht wird. Aber wir als Gesetzgeber haben umso mehr Verantwortung, dafür zu sorgen, dass das nicht geschieht. Genau deshalb ist das Vorsorgeprinzip so fundamental im EU-Recht verankert; und das ist auch gut so.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Dr. Bettina Hoffmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Umso entlarvender ist es, wenn die FDP auch heute wieder fordert, dass ein sogenanntes Innovationsprinzip mit dem Vorsorgeprinzip gleichrangig sein soll.
(Beifall des Abg. Mario Brandenburg (Südpfalz) (FDP))
Das ist ja nichts anders als eine Relativierung des Vorsorgeprinzips –
(Zuruf von der LINKEN: Richtig!)
und das hat in der EU Verfassungsrang -; mal abgesehen von der Frage: Was ist innovativ, und wer entscheidet darüber?
Als Linke verneinen wir nicht die Chancen durch neue biotechnische Verfahren, aber die Frage, wie mit Gefahren umgegangen wird, muss ernsthaft beantwortet werden. Es geht auch um die Frage: Wem nutzt es?
Nun wird oft behauptet, die sogenannten neuen Züchtungsmethoden würden viel gezielter ins Genom eingreifen als bisherige agrogentechnische Verfahren. Nur kann man es inzwischen besser wissen, weil neue Studien auf entsprechende Risiken hinweisen. Das Genom funktioniert nämlich nicht so linear, wie auch ich das in der Schule und im Veterinärmedizinstudium gelernt habe. Eine bestimmte Gensequenz führt eben nicht immer zum gleichen Ergebnis. Deshalb ist die gefahrlose Veränderung des Genoms ein Mythos.
Studien zeigen Kollateralschäden auf, und zwar nicht nur an der Stelle der beabsichtigten Veränderung des Genoms – „on target“ nennt man das -, sondern auch weit weg – nämlich „off target“ -, und das ist erst viel später zu erkennen. Bei Gentherapien tödlich verlaufender Erkrankungen zum Beispiel, mag man dieses Risiko berechtigterweise in Kauf nehmen. Aber in der Pflanzenzüchtung sollen diese Merkmale vererbt, also vervielfältigt werden. Da geht es eben nicht nur um diese eine gentechnisch veränderte Pflanze. Die Gefahr der Vervielfältigung ungewollter Fehler im Genom zu relativieren, ist einfach unverantwortlich.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Bettina Hoffmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Nun wird gerne behauptet, man könne den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen kontrollieren. Ich will vier Gegenbeispiele bringen. Vor einigen Jahren ist ungewollt eine gentechnisch veränderte Petunie im Blumenhandel aufgetaucht. Aufgefallen ist das nur durch ihre orange Blütenfarbe, die nicht natürlich erzeugbar ist. Ähnlich war es beim ungewollten Anbau einer gentechnisch veränderten Kartoffel in Schweden. Auch das ist nur wegen einer anderen Blütenfarbe aufgefallen.
(Mario Brandenburg (Südpfalz) (FDP): Reden wir jetzt über Kartoffeln?)
Der gentechnisch veränderte Reis LL 601 aus einem kleinen Forschungsanbau in Georgia, USA, tauchte plötzlich weltweit in Supermarktregalen auf; er ist nie zugelassen worden. Im mexikanischen Ursprungsgebiet des Mais wurden gentechnische Veränderungen nachgewiesen, obwohl dort ein solcher Anbau offiziell nie stattgefunden hat. Das sollte zu denken geben.
Hinzu kommt das ökologische Risiko. Eine gentechnisch veränderte Pflanze kann ihre genetische Veränderung auf wildlebende Verwandte auskreuzen, und das wäre dann definitiv nicht rückholbar.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es gibt also aus Sicht der Linken viele gute Gründe, am Vorsorgeprinzip gerade bei gentechnisch veränderten Pflanzen festzuhalten. Auch die sogenannten neuen Züchtungsmethoden müssen nach strengem Gentechnikrecht reguliert wird.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Zum Abschluss möchte ich der FDP ein paar weise Worte des Weihbischofs Anton Losinger aus Augsburg, einem langjährigen Mitglied des Deutschen Ethikrats, ins Stammbuch schreiben. Er empfahl im Oktober im Domradio einen verantwortungsvollen Umgang und eine gesellschaftliche Debatte, die für die neuen Fragen sensibilisiert und nicht von ökonomischen Interessen bestimmt wird. Vielleicht kann man die FDP doch noch erlösen, und die Union gleich mit.
Vielen Dank.
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)