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!! ACHTUNG!! DIESE SEITE WIRD NICHT MEHR AKTUALISIERT. Bitte wenden Sie sich mit Ihren Anliegen nach dem Ende des Mandats von Dr. Kirsten Tackmann am 26.10.2021 an die aktuelle Linksfraktion im Bundestag. Für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und konstruktive Kritik der vergangenen 16 Jahre möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken.

Wie stimmten die Abgeordneten des Wahlkreises 56 zum Antrag des Bundesministeriums der Finanzen – Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands
Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages, der Hellenischen Republik Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren sowie zur Vereinbarung über ein Memorandum of Understanding zwischen der Hellenischen Republik und dem Europäischen Stabiltitätsmechanismus (ESM)

 

Der Antrag ist in der Drucksache 18/5780 veröffentlicht.
Die komplette namentliche Abstimmung finden Sie hier.

 

Im Anschluss an die Abstimmung gaben die sieben Abgeordneten der Linksfraktion, die sich der Stimme enthielten (Kirsten Tackmann, Stefan Liebich, Thomas Nord, Harald Petzold, Richard Pitterle, Frank Tempel und Axel Troost), folgende Erklärung ab:

 

Erklärung von Abgeordneten nach § 31 der Geschäftsordnung zum Abstimmungsverhalten zum Tagesordnungspunkt Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands

Hiermit erklären wir, dass wir zur vorliegenden Beschlussfassung

mit Enthaltung

 stimmen.

Wir begründen das wie folgt:

Die seit gerade einem halben Jahr im Amt befindliche griechische Regierung ist mit den Versprechen angetreten, dass das Land entsprechend dem Wunsch der deutlichen Mehrheit der griechischen Bevölkerung in der Eurozone bleibt und sich zugleich nicht mehr dem Diktat der „Troika“ beugt, dass die Austeritätspolitik und die daraus resultierende Verelendung der Bevölkerung sowie der Niedergang der Wirtschaft beendet werden.
Es war klar, dass sie diese Versprechen gegenüber der eigenen Bevölkerung nur realisieren konnte und kann, wenn sie dafür aus anderen europäischen Regierungen oder/und durch eine breite europäische Solidaritätsbewegung Unterstützung bekommt. Bisher ist diese nicht ausreichend zustande gekommen. Trotzdem hat die griechische Regierung auf der europäischen Ebene die Sinnhaftigkeit der neoliberalen und vor allem deutschen Austeritätspolitik in Frage gestellt sowie in Griechenland selbst als auch in Europa die soziale Frage wieder in die Debatte gebracht. Das Lager der Befürwortung dieser Politik hat Risse bekommen. Die Unterstützung der Haltung der griechischen Regierung durch die Mehrheit der griechischen Bevölkerung durch ein Referendum hat diese Position gestärkt.

Zugleich stieß die Regierung Griechenlands an die Grenze ihrer Handlungsspielräume. Die Banken mussten schließen, die Kassen des Landes waren leer, eine Zahlungsfähigkeit nicht mehr vorhanden, die Wirtschaft und die Gesellschaft standen vor dem allgemeinen Kollaps. Alexis Tsipras musste einen Weg finden, um die Handlungsfähigkeit der griechischen Regierung wenigstens teilweise wiederzuerlangen ohne dabei die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung zu verlieren. Er hat sich dabei vor dem Hintergrund, dass ein Teil der Gläubiger, insbesondere die deutschen, die griechische Krise nutzen wollten, um mit der Drohung eines Grexits ein deutsch-dominiertes „Kern-Europa“ durchzusetzen, für den Weg des „Kompromisses“ entschieden, um wenigstens Griechenlands Verbleib in der EU und im Euro zu retten. Damit mussten die Grexit-Befürworter dem Druck insbesondere der sozialdemokratischen italienischen sowie französischen Regierung nachgeben und die rücksichtslose Durchsetzung ihres Zieles aussetzen, ohne es jedoch tatsächlich aufzugeben.
Der Preis, den Griechenland dafür zahlen muss, ist hoch und fand im Memorandum vom Juli 2015 seinen Ausdruck. Es ist ebenso Ausdruck des Kräfteverhältnisses in der Europäischen Union wie das hier zur Abstimmung stehende „Hilfspaket“. Aber es ermöglicht eine neue Runde des Widerstandes gegen die Austeritätspolitik in der EU und der Eurozone, eines Kampfes für eine solidarische und demokratische Zukunft der Europäischen Union.

Wir können das Agieren der Bundesregierung in den Verhandlungen zum neuen Hilfspaket nicht befürworten, denn diese Regierung vertritt heute mit die reaktionärsten politischen Positionen in der EU. Teile von ihr streben gar nach einem neo-liberalen deutsch-dominierten „Kern-Europa“. Davon ausgehend gibt es gute Gründe zu diesem „Hilfspaket“ „Nein“ zu sagen.

Gleichwohl ist die griechische Regierung gegenwärtig der mit Abstand einzige machtpolitische Aktivposten der Europäischen Linken. Wir begrüßen, dass es ihr gelungen ist, die Differenzen zwischen den Gläubigern zu nutzen, um deutsche Pläne für ein Grexit zu durchkreuzen und sich Chancen – wenn auch begrenzt – für politische Korrekturen der Gläubiger-Linien zu erhalten und zu schaffen: Dies sind die Frage des vom IWF geforderten Schuldenerlasses, die zwischen IWF, der deutschen und der griechischen Regierung strittige Ausgestaltung des sogenannten Treuhandfonds, die von der EU Kommission unterstützte Möglichkeit reale Mittel für Investitionen in die Wirtschaft zu erhalten und die im sogenannten „Paket“ enthaltene Möglichkeit – neben sehr rigiden sozialen Einschnitten – auch in einzelnen Bereichen soziale Reformen im Interesse der ärmsten Griechinnen und Griechen durchzuführen.

Wir haben Verständnis, wenn andere diese Chancen nicht sehen. Zugleich bestärkt uns die Auseinandersetzung in der Unionsfraktion darin, dass auch Abgeordnete der Regierungsfraktionen diese Möglichkeiten sehen und sie gerade damit ihr „Nein“ begründen. Wir gehen davon aus, dass gerade diese Debatte in der Unionsfraktion ein Nachweis dafür ist, dass es Merkel und Schäuble nicht gelungen ist, das ihnen vom Bundestag erteilte Mandat bei den Verhandlungen eins zu eins umzusetzen, dass sich der Kampf der griechischen Seite für die eigenen Ziele weiter lohnt und dass es der Syriza-Regierung durchaus bei den kommenden Auseinandersetzungen helfen kann, dies auch mit unserem Abstimmungsverhalten deutlich zu machen.

Deshalb haben wir uns der Stimme enthalten.