Dem Dorsch in der Ostsee geht’s schlecht
von Dr. Kirsten Tackmann
Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) schlägt Alarm. In einem April diesen Jahres veröffentlichten Bericht kommt dieses sehr wichtige Gremium für wissenschaftliche Politikberatung zu dem Schluss, dass es dem Dorsch gar nicht gut geht, insbesondere in der östlichen Ostsee. Deshalb hat DIE LINKE eine Befassung des Ausschusses mit diesem sozial und ökologisch wichtigen Thema initiiert.
Die geringe Bestandsgröße ist besorgniserregend niedrig. Die Ursachen dafür sind nicht vollständig klar. Ein unzureichendes Nahrungs- und Sauerstoffangebot gehören aber sicher dazu. Der Dorsch hält sich nicht mehr dort auf, wo seine Futterquellen (z. B. Sprotten) sind und umgekehrt. Dazu kommen weitere Faktoren wie ein Leberparasit, dessen Ursache und Bedeutung unklar ist. Die Gesamtsituation stellt die einheimische Ostseefischerei und die der anderen Anrainerstaaten vor massive Probleme. Wenn nicht einmal die schon drastisch reduzierten Fangquoten ausgefischt werden können, hat das auch schwerwiegende soziale Folgen für Einkommen und Arbeitsplätze an der Küste.
Neben einkommenswirksamen Unterstützungen ist eine nachhaltige Fischerei zum Schutz der Bestände im Interesse aller. Dies war auch Ziel der EU-Fischereireform, die – anders als die Debatte zur EU-Agrarpolitik – im Konsens zu einem neuen Regelwerk nach dem Prinzip des MSY (maximal nachhaltiger Ertrag, maximum sustainable yield) geführt hat, dessen Umsetzung gerade schrittweise erfolgt. Warum es dennoch zu so dramatischen Einbrüchen kommt, hat verschiedene Ursachen.
Aber die quantitative Schätzung der Größe von Fischbeständen im Meer ist auch nicht so leicht. Vor allem bei Fischarten, die in Schwärmen leben, zu denen die Jungdorsche gehören. Aufgrund der Anzahl gefangener Fische die Anzahl der Fische im gesamten Ökosystem zu schätzen, ist in diesen Fällen besonders unsicher. Gerade deshalb muss auch in der Meeresfischerei das Vorsorgeprinzip gelten. Deshalb muss das Regelwerk des MSY angepasst und fortentwickelt werden, z. B. durch mehrjährige Bewirtschaftungspläne für alle fischereilich bedeutsamen Arten, wirksamere Kontrollen der illegalen und unregulierten Fischerei (IUU) oder die Berücksichtigung von Räuber-Beute-Beziehungen zwischen verschiedenen Fischbeständen. Wichtig ist darüber hinaus die Ursachen dieses Bestandseinbruchs zu ermitteln, zu bewerten und angemessene Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.
Zudem sind die Fischbestände als Teil des Ökosystems Ostsee wichtig. So ist der Dorsch auch eine Nahrungsquelle für die Kegelrobbe, deren Bestände erfreulicherweise wieder wachsen, nachdem sie als fast ausgerottet galt. Geht es dem Dorsch schlecht, kann das auch Auswirkungen auf die Robbenpopulation in der Ostsee haben. Und umgekehrt, denn die Robbe ist nicht nur gewisse Beutekonkurrenz für die Fischerei, sondern wird auch mit dem Parasitenbefall der Dorsche in Verbindung gebracht.
Die Bundesregierung scheint besorgt, für proaktives Handeln reichen ihr die Grundlagen aber bisher nicht aus. Aber der Anteil Deutschlands an den Fangquoten ist beim östlichen Ostseedorsch mit vier Prozent aber eher niedrig. Stattdessen will die Bundesregierung die diesjährigen Fangquotenempfehlungen des ICES Ende Mai abwarten, auf deren Grundlage anschließend auf EU-Ebene die Fangquoten verhandelt werden. Ein langwieriger Prozess hinter häufig verschlossenen Türen. Die Dänische Ministerin für Fischerei geht allerdings voran und hat unterdessen eine Reduzierung der Fangquoten um bis zu 70 Prozent ins Spiel gebracht. Auch Schweden hat bilaterale Gespräche mit den Anrainerstaaten der Ostsee angekündigt. Im Raum steht sogar ein totaler Fangstopp, der allerdings nach Auffassung der LINKEN sozial abgefedert werden muss, um die Fischerei als wichtiger Lebensmittellieferant und Arbeitgeber zu erhalten.
Die Meere und seine Mitbewohner gehen uns alle was an. Sie versorgen uns mit Nahrungsmitteln, Rohstoffen und Erholungsangeboten. Das hat auch der Weltbiodiversitätsrat in seinem aktuellen Zustandsbericht unserer Ökosysteme und ihrer Artenvielfalt erneut bestätigt. Darin heißt es, dass Küstenökosysteme einige der größten historischen Verluste aufweisen, während ein zunehmender Anteil der Fischbestände auf nicht nachhaltige Weise befischt wird. DIE LINKE bleibt weiterhin an dem Thema dran – für eine sozial- und ökologisch ausgerichtete Fischerei.