Dialog zur Sicherung der Weide- und Freilandhaltung dringend notwendig
Im Ringen um eine zukunftssichere, weil tiergerechte und akzeptierte Nutztierhaltung, gehören Freiland- und Weidetierhaltungen sicher ganz nach vorn. Zumal sie auch andere Gemeinwohlleistungen quasi nebenher erbringen. Sie unterstützen die biologische Vielfalt, sie pflegen die Agrarlandschaft, erhalten das Grünland mit Klimaschutzfaktor, sie sind ein traditionelles Kulturgut und sie schützen die Deiche. Viele sind in regionale Verarbeitung und Vermarktung eingebunden. Also alles richtig gemacht? Ja, auch wenn diese Tierhaltungsform eigene Herausforderungen hat – es ist mehr als ein einfaches „Tiere raus aus dem Stall“ – ist sie dennoch ein wichtiger Bestandteil einer landwirtschaftlichen Tierhaltung und deshalb schützenswert. Aber dazu brauchen sie Unterstützung. Nicht nur, weil sie als besonders riskant gegenüber der Einschleppung von Tierseuchen wie Afrikanischer Schweinepest (ASP) oder Vogelgrippe gelten, was für die Betriebe in den Restriktionszonen eine existenzielle Bedrohung darstellt. Sondern auch Auflagen zum Schutz des Bodens, der Gewässer und der Luft werden schnell zum KO-Kriterium für Freiland- und Weidetierhaltungen – oder werden dazu gemacht. Und als ob solche Zielkonflikte und Kenntnislücken nicht reichen würden, sind diese Tierhaltungen auch noch Verlierer der aktuellen Gemeinsamen EU-Agrarpolitik und eines globalisierten Marktes, auf dem ihre Produkte mit Billigimporten aus Übersee mit mieser ökologischer, oft auch sozialer Bilanz konkurrieren. Es ist also Zeit für eine neue Strategie zur langfristigen Sicherung der Weide- und Freilandhaltung auch in unserem Land.
Besonders zugespitzt ist aktuell die Lage für Schweinefreilandhaltungen in ASP-Restriktionsgebieten, weil hier die Einschleppung des Virus in den Hausschweinebestand als besonders hoch angesehen wird. Denn noch betrifft die Tierseuche in unserem Land „nur“ das Schwarzwild und noch hat die Branche die Hoffnung, dass die aktuelle Exportverbote in Drittstaaten also außerhalb der EU), insbesondere nach Asien, aufgehoben werden. Um diese Chance zu erhalten, sollen – nicht müssen – gesunde Freilandbestände präventiv getötet werden, um einen Ausbruch im Hausschweinebestand zu verhindern, der aufgrund der folgenden Handelsrestriktionen viele konventionelle Betriebe landesweit in zusätzliche finanzielle Probleme bringen würde. Es geht also um die Abwägung, ob ein Restrisiko der Viruseinschleppung so schwer wiegt, dass eine präventive Tötung eines Bestandes als ultima ration notwendig ist. International gibt es Hinweise auf ein erhöhtes Einschleppungsrisiko, aber die technische Absicherung gegen Kontakt zu Wildschweinen, Füchsen oder anderen aasfressenden Säugetieren ist in unserem Land sehr hoch. Es bleibt aber das Restrisiko durch den Einflug aasfressender Vögel mit infizierten Kadavermaterial. Aber auch in Ställe und Betriebe ?? wurde das Virus eingetragen, ob durch Anhaftungen bei Menschen oder durch verunreinigtes Futter – selbst in größeren Ställen, in denen es oft ein gutes Hygienemanagement gibt. Es stehen also konkret zwei Fragen: sind beide Restrisiken vergleichbar hoch, was zumindest für Gleichbehandlung spräche. Das für die Politikberatung zuständige Friedrich Loeffler Institut hält das Einschleppungsrisiko bei Freilandhaltungen für höher und es gibt Hinweise, dass über Restriktionen der Freilandhaltungen Bekämpfungserfolge verbessert wurden. Ob das Restrisiko unter den konkreten Bedingungen verantwortbar oder nicht, wird gerade gerichtlich überprüft? Denn gleichzeitig muss die Frage beantwortet werden: können drohende Handelsrestriktionen eine präventive Bestandstötung rechtfertigen? Die aktuelle Rechtsprechung geht davon aus, dass eine Tötung von Tieren aus rein wirtschaftlichen Gründen mit dem Staatsziel Tierschutz unvereinbar ist. Dies wurde im Zusammenhang mit dem Töten männlicher Eintagsküken aus Legelinien klargestellt.
Darüber hinaus sind viele Fragen ungeklärt, wer welche Beiträge zum Ausgleich direkter oder indirekter Kosten der ASP tragen soll oder muss bzw. welche europarechtlich übernommen werden dürfen.
Diese existenziellen Fragen stellen sich umso dringender angesichts der Tatsache, dass ein kurzfristiges Ende des ASP-Ausbruchs in unserem Land nicht zu erwarten ist. Im Gegenteil, denn es wird noch immer infiziertes Schwarzwild nachgewiesen und ASP-frei ist das Land erst ein Jahr nach dem letzten Nachweis der Infektion.
Die zuständigen Landkreise sind hier oft auf sich alleine gestellt, weshalb wir schon mehrmals im Ausschuss Unterstützung bei gemeinsamen Strategien und mehr finanzielle Unterstützung auch vom Bund eingefordert haben. Erst vergangene Woche hat auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) dies angekündigt für die ASP, wenn auch vor allem für den Zaunbau und zur Öffnung für Exporte. Doch an allen Bundesländergrenzen Zäune aufzustellen, kann nicht die einzige Strategie sein für die ASP. Zumal dies oft nicht schnell genug passiert oder leider mit Zerstörungen gerechnet werden muss. Ohne Bekämpfungserfolge aus polnischer Seite wird das Problem nicht zu lösen sein. Die Gespräche mit dem Nachbarland sind zäh und bislang wenig erfolgreich.
Von der Vogelgrippe sind die Freilandhaltungen ebenfalls besonders bedroht. Die Umsetzung der Aufstallungsgebote sind allerdings für Wassergeflügel und Laufvögel sehr problematisch, weshalb eine Bestandstötung im Raum steht. Dass beim Aufstallungsgebot Eier aus der Freilandhaltung nur 12 Wochen als solche verkauft werden dürfen, ist eine unverständliche Regelung, denn dies ist ja keine Qualitätskennzeichnung, sondern die Kennzeichnung einer Haltungsform, die behördlich zeitweise verboten wird. Dass die Vogelgrippe dieses Jahr besonders gefährlich ist und länger dauert, spitzt die Existenzsorgen weiter zu, auch wenn es zum Glück keine für Menschen gefährliche Virusvariante ist wie 2006 auf Rügen.
Aber nicht nur Tierseuchen stellen eine Bedrohung der Weide- und Freilandhaltungen dar. Wer z. B. mobile Hühnerställe betreiben will, bekommt schnell mal Probleme mit der Unteren Wasserbehörde.
Die vielen offenen Fragen erfordern aus Sicht der LINKEN, aktuelle Regelungen auf den Prüfstand zu stellen. Ein einfaches Weiter so reicht nicht, sondern alternative Lösungen und eine neue Strategie müssen im Dialog zwischen den Betroffenen, der Wissenschaft, Behörden und relevanten gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren dringend entwickelt und dann umgesetzt werden.
Eine klassische Aufgabe für einen Runden Tisch.
DIE LINKE hat deshalb vor Ostern einen Antrag „Runder Tisch zur Sicherung der Zukunft von Freiland- und Weidetierhaltungen“ ins parlamentarische Verfahren gebracht (Drs. 19/27834). Es werden neue Lösungen für die gesellschaftlich am meisten akzeptierte, am Gemeinwohl orientierte Weidelandhaltung von Tieren gebraucht, die auch krisenfest sind.
Der Antrag wurde diese Woche im Ausschuss diskutiert, aber auf Wunsch der LINKEN nicht abgestimmt, um den anderen Fraktionen Zeit zu geben, vor dem Hintergrund der Debatte eine Anträge zum Thema einzubringen. Die Grünen haben unterdessen reagiert und einen Antrag auf den Weg gebracht.
Eine positive Nachricht gibt es für Weidetierhaltungen. Nach jahrelangem Kampf insbesondere der LINKEN sowohl für ein Herdenschutzkompetenzzentrum als auch für eine Weidetierprämie, hat nun die Koalition reagiert. Es wurde ein Bundeszentrum für Weidehaltungen (im Barnim) eröffnet, das zumindest ein erster Schritt ist. Und die diese Woche vorgelegten Gesetzentwürfe der Bundesregierung für den nationalen Strategieplan für die neue Förderperiode zur Gemeinsamen EU-Agrarpolitik enthalten endlich die auch vom Bundesrat und der Agrarministerkonferenz der Länder geforderte gekoppelte Weidetierprämie.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer, den wir natürlich gerne heller gestaltet hätten, aber dennoch ein wichtiges Zeichen in diesen schweren Zeiten. Auch dafür, dass sich Hartnäckigkeit in der parlamentarischen Auseinandersetzung lohnt.
Hier der Antrag “ Runder Tisch zur Sicherung der Zukunft von Freiland- und Weidetierhaltung“ (19/27834)