Klimawandel – auch der Wald zahlt die Zeche für unseren Lebensstil
von Dr. Kirsten Tackmann
Die Situation im Wald ist dramatisch. Laut gestern vorgestelltem Waldzustandsbericht Brandenburg sind 37 Prozent der Waldfläche deutlich geschädigt. Das ist gut ein Viertel mehr als im vergangenen Jahr. Nur noch 14 Prozent aller Probenbäume zeigten keine Kronenschäden. Dieser Zustand übertrifft übrigens noch das Anfang der 90er Jahre beschriebene Waldsterben wegen Luftverschmutzung.
Dabei waren die Ergebnisse der dritten Bundeswaldinventur vor nur 5 Jahren noch positiv: Der Anteil der Laubbäume war gestiegen, die Wälder vielfältiger und naturnäher, die Waldfläche konstant geblieben und es war mehr Holz nachgewachsen, als genutzt wurde. Die Ende 2011 verkündete Waldstrategie 2020 schien also auf einem guten Weg. Auch der nun ebenfalls vorgelegte turnusmäßige Waldbericht für die Jahre 2009 bis 2017 liest sich heute wie aus einer anderen Welt.
Doch nach mehreren Orkanen, zwei Dürrejahren und Waldbränden mit nicht gekanntem Ausmaß ist nichts mehr, wie es war, zumal die geschwächten Wälder auch noch gefundenes Fressen für diverse Forstschädlinge sind. Der scheinbar gerade erst gerettete heimische Wald nun also wieder in Gefahr, und dies in dramatischer Weise, ob der beängstigenden Geschwindigkeit.
Es ist auch nicht sicher ob wir dieses Mal die Ursachen wirklich schnell genug behoben bekommen. Denn eine Ursache ist der beginnende Klimawandel. Dem Wald droht, dass er jetzt die Zeche zahlt für unseren Lebensstil. Deshalb ist ein einfaches Weiter-so keine Option.
Wer den Wald schützen will, muss zwingend das Klima schützen. Es gilt auch umgekehrt: Wer das Klima schützen will, braucht zwingend den Wald. Nicht nur in Brasilien. Es muss nicht nur rasch gehandelt werden, sondern auch auf sehr vielen verschiedenen Baustellen.
Spätestens seit dem Frühjahr war die dramatische Entwicklung völlig klar. DIE LINKE hatte deswegen bereits im Mai ein Soforthilfeprogramm beantragt, das leider vor der Sommerpause abgelehnt wurde – verschenkte Zeit, denn die unstrittigen Maßnahmen könnten längst auf dem Weg sein.
Dass jetzt relativ Geld kommt ist gut, auch wenn man schauen muss, ob es ausreichen wird. Wichtig ist, dass es schnell ankommt, und zwar nicht nur im Interesse des Waldes, sondern auch, weil ohne schnelle Hilfe viele Klein- und Kleinstwaldbesitzer und -besitzerinnen möglicherweise ihren Wald verkaufen müssen. Wer also weiter ein breit gestreutes Waldeigentum möchte und sichern will, der muss jetzt zwingend zügig handeln. Der erhöhte Fördersatz von 90 Prozent für Waldbesitz unter 20 Hektar ist hier ein richtiges Signal. Dass jedoch alles vorfinanziert werden muss, konterkariert dieses richtige Anliegen.
Ohne einen Paradigmenwechsel in der Personalpolitik wird der Wald auch nicht gerettet. Der Personalabbau über viele Jahre hinweg ist Teil des waldpolitischen Sündenkatalogs. Der Wald braucht mehr und gut ausgebildete Forstleute, und diese müssen anständig bezahlt werden.
Die vielen sterbenden oder toten Bäume sind aber auch ein großes Unfallrisiko. Gerade hat die Berufsgenossenschaft Alarm geschlagen. Auch für das Totholz braucht es Antworten. Es ist ökologisch wichtig und gehört zwingend in einen naturgemäßen Wald. Aber auch die damit verbundenen Unfall- und Brandrisiken müssen berücksichtigt werden.
Und auch die Holzindustrie ist aus LINKER Sicht dringend in der Pflicht. Sie kann nicht weiter immer nur Nadelholz verarbeiten wollen, wenn aus ökologischen Gründen der Umbau zu Mischwälder notwendig ist.
Damit sich die Krise nicht zur Katastrophe ausweitet müssen wir nicht nur schnell handeln, sondern wichtige strategische Weichenstellungen und Neuausrichtungen vornehmen. Wälder mit nur einer Baumart und einer Altersklasse sind eigentlich Baumplantagen und erhöhen das Risiko von Großschadenslagen. Aber welche Baumarten werden in welcher Mischung den zukünftigen Herausforderungen eigentlich gerecht und gewachsen sein? Offensichtlich ist selbst die Forstwissenschaft überrascht, welche Baumarten doch nicht so hitze- oder trockenresistent sind wie vermutet. Die Forderung nach standortangepassten Mischwäldern ist und bleibt selbstverständlich richtig. Aber was heißt denn das konkret?
Und angesichts der hohen Schalenwildbestände stellt sich jetzt noch dringender die Frage, wie man den so wichtigen Baumnachwuchs vor dem Verbiss schützt. Ohne andere Jagdregimes – zumindest zeitweise – wird das nicht funktionieren. Denn alles zu zäunen ist schon finanziell keine Option. Laut Waldstrategie 2020 sollte in einem breiten Dialog ein neues Leitbild Jagd entwickelt werden. Seitdem hat man nie wieder etwas davon gehört. Auch die angekündigte Novelle zum Bundesjagdgesetz liegt nicht vor. Dieses Thema ist ein sehr schwieriges und leider ist auch die Jagdforschung vernachlässigt. Aber es gibt Erfahrungen, wie das funktionieren kann, auch in Brandenburg. Der Erfahrungs- und Wissenstransfer ist also möglich und nötig. Nur eines geht ganz sicher nicht: abwarten.
Hier der LINKE Antrag „Soforthilfemaßnahmen für die deutsche Forstwirtschaft“ (19/10287)
Hier die Information des Brandenburger Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK) zum Waldzustandsbericht 2019.