10. November 2016, TOP 21, Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Saatgutverkehrsgesetzes, Drucksache 18/9531
Jeder Mensch weiß: ohne Saat, keine Ernte. Aber wir wissen auch: nicht jede Saat geht auf. Bevor Saatgut kommerziell in Umlauf gebracht werden darf, muss es als eigenständige Sorte zugelassen werden und dafür muss es bestimmte Kriterien erfüllen. Geregelt wird das im Saatgutverkehrsgesetz, das einerseits die Saatgutqualität im Sinne des Verbraucherschutzes und andererseits die Versorgung der Landwirtschaft und des Gartenbaus mit hochwertigem Saat- und Pflanzgut sichern soll. Ohne eine solche amtlich anerkannte Sortenbeschreibung darf die Sorte auch in der EU nicht vertrieben werden.
Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht Änderungen an diesem Saatgutverkehrsgesetz vor, um Unionsrecht national umzusetzen. Denn die EU-Kommission hat bereits im Oktober 2014 in der neuen Richtlinie geregelt, dass es ein EU-weites Sortenverzeichnis von Obstarten zur Fruchterzeugung geben soll. Dementsprechend müssen die Mitgliedstaaten ihre national bereits anerkannten Obstsorten in das EU-Verzeichnis einspeisen. Die Zeit drängt, weil die Richtlinie bereits bis zum Jahresende von den Mitgliedstaaten umzusetzen ist. Sollten die Änderungen des Saatgutverkehrsgesetzes deshalb nicht mehr dieses Jahr verabschiedet werden, könnten deutsche Obstgehölze ab 1.1. 2017 nicht mehr EU-weit gehandelt werden.
Es ist also Eile geboten, weil das Ministerium die Umsetzung verschleppt hat und erst kurz vor 12 die entsprechenden Änderungen vorlegt. Grund hierfür ist aber auch, dass der Gesetzentwurf zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen will, was nicht ganz einfach ist:
Neben den vertriebsfähigen, vor allem kommerziell genutzten Sorten gibt es alte Sorten, die als genetisches Gedächtnis wertvoll sind, aber oft nicht als Sorte zugelassen werden. Aber sie müssen unbedingt als genetisches Gedächtnis erhalten, also auch vermehrt werden. Neben ihrem kulturellen Wert für eine bestimmte Region oder ihren besonderen Eigenschaften wie Geschmack spielt ihr Erhalt auch für mögliche spätere Veredlungsmöglichkeiten eine große Rolle. Schließlich verändern sich Züchtungskriterien im Zeitverlauf, von den Herausforderungen des Klimawandels ganz zu schweigen.
Waren die alten Obstsorten zwar bisher über die Anbaumaterialverordnung abgedeckt, soll es zukünftig eine Gesamtliste von Obstsorten geben, die alle umfasst: sowohl vertriebsfähige Sorten, Amateursorten als auch Sorten, die zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen bestimmt sind. Die Bundesregierung verspricht sich hiervon auch eine Aufwertung der alten Sorten, da eine Gesamtliste die alten Sorten bekannter machen würde.
In Deutschland ist das Bundessortenamt (BSA) für die Gesamtliste zuständig. Und wegen der gebotenen Eile wurden bereits die Züchter, Baumschulen und Vermehrungsbetriebe bis Ende 2016 zur namentlichen Nennung aller Obstsorten aufgefordert.
In Deutschland wird diese Gesamtliste wohl rund 17.000 Obstsorten umfassen. Nach Aufschrecken der Branche, die sich mit der Aufgabe bis zum Jahresende überfordert sahen, forderte der Bundesrat den Gesetzgeber auf, die Nachmeldung von Sorten und deren Beschreibung zu ermöglichen. Mit der Klarstellung der Bundesregierung, dass alle relevanten Sorten bis Ende 2016 beim Bundessortenamt namentlich zu benennen seien, aber im Anschluss die Sortenbeschreibungen ohne bestehende Frist vom Bundessortenamt unentgeltlich vorgenommen werden, haben sich die Wogen wieder etwas geglättet.
Ob das Bundessortenamt diese Aufgabe mit den vorhandenen personellen Ressourcen wirklich realisieren kann, werden wir im Auge behalten. Dass kann nicht im Zug von Überstunden geleistet werden. Wenn nötig, muss das Personal im Bundessortenamt zur Umsetzung der Gesetzänderung kurzfristig aufgestockt werden!