Solidarisches Regionalprinzip statt Weltmarktdogma
Seit 1984 gab es ein Milchquotensystem in der EU. Milcherzeugerinnen und Milcherzeuger durften nur so viel Milch produzieren, wie sie per Quote (teuer) gekauft haben. Ostdeutschland war übrigens bei der regionalen Zuteilung der Milchquotenmengen benachteiligt worden. Ziel dieses Systems war es, die Milchseen und Butterberge zu bekämpfen. Zugleich erhoffte man sich stabile Preise.
Doch hatte das Milchquotensystem immer schlechter funktioniert. Das Höfesterben wurde nicht aufgehalten. Bereits 2003 wurde der Ausstieg aus dem Quotensystem für das Jahr 2015 in Brüssel beschlossen. Mit rot-grüner Zustimmung. Vor allem ab 2007 wurden die Preisschwankungen immer größer und die Milchbauern gingen auf die Straße, weil der Erzeugerpreis weit unter ihren Erzeugungskosten sank. Legendär ist die tagelange Belagerung des Kanzlerinnen–Amtes durch Milchbäuerinnen. Beschlossen wurde dann eine so genannte Kuhschwanzprämie, die aber eher eine Sterbe- als eine Überlebenshilfe war.
Nun also der endgültige Abschied von der Quote. Manche jubeln über die gesprengten Fesseln, weil sie nun endlich unbegrenzt Milch produzieren können.
DIE LINKE macht sich vor allem Sorgen um die Verlierer dieser Entscheidung. Das sind vor allem die Betriebe an schwierigen Standorten, wie Mittelgebirgslagen, die ihre Leute gut bezahlen und den Kühen etwas mehr Komfort bieten. Denn es geht in diesem ruinösen Wettbewerb vor allem um billige Erzeugungskosten.
Die Profiteure der Entwicklung arbeiten eher nicht im Stall. Sie sitzen in den Chefetagen des Lebensmitteleinzelhandels und der Molkereien. Sie können jetzt auf große Mengen und damit billige Rohware zugreifen. Und sie haben die Marktmacht, für eigene Profite die Erzeugerpreise noch unter die Erzeugungskosten zu drücken.
Der nimmersatte Weltmarkt, der ein Ausweg sein soll, erweist sich schnell als Fata Morgana. Schlagzeilen wie „In China schütten Bauern die Milch weg“ oder „Aldi-Kunden bekommen Dürre in Neuseeland beim Butterpreis zu spüren“ weisen darauf hin, dass China selbst für seine steigende Nachfrage produzieren kann und wird und dass die Lebensmittelpreise in den Supermärkten immer stärker von globalen Faktoren bestimmt werden – bis hin zu Währungsschwankungen und Embargos.
In einer Ausschussanhörung am 23. März wurde empfohlen, doch Warenterminbörsen zur Risikominimierung zu nutzen. Angesichts der Finanzmarktkrise ein wahrlich kühner Vorschlag.
Die LINKE will statt des Weltmarktdogmas eine Milchproduktion in einem solidarischen Regionalprinzip. Wie zum Beispiel bei der Molkerei Hemme. Ihr Inhaber, Gunnar Hemme, hat in der Ausschussanhörung erklärt, wie das geht. Er verarbeitet die Milch von drei regionalen Erzeugern, Preisschwankungen werden untereinander solidarisch ausgeglichen und die bekannte Marke aus der Uckermark findet auch in Berlin reißenden Absatz.
Solche Projekte müssen keine Nische bleiben. Doch dazu muss sich einiges ändern. Um ein paar Beispiele zu nennen: es werden mehr regionale Molkereien gebraucht, Bodenpreise müssen bezahlbar sein, das Kartellrecht muss gegen die Marktmacht der Supermärkte und Molkereien durchgreifen, keine Sonderangebote mit Lebensmitteln.