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!! ACHTUNG!! DIESE SEITE WIRD NICHT MEHR AKTUALISIERT. Bitte wenden Sie sich mit Ihren Anliegen nach dem Ende des Mandats von Dr. Kirsten Tackmann am 26.10.2021 an die aktuelle Linksfraktion im Bundestag. Für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und konstruktive Kritik der vergangenen 16 Jahre möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken.

Trotz der Erhöhung auf 6 Mrd. Euro ist der Etat für Ernährung und Landwirtschaft ein kleiner Posten im Bundeshaushalt. Auch mit dem zusätzlichen Geld aus Brüssel und den Bundesländern geht es vielen Agrarbetrieben nicht gut. Der Fehler liegt im System, das landwirtschaftsfremde Investoren fördert und die Marktübermacht von Handels- und Schlachthofkonzernen toleriert, aber zum Beispiel Schäfereien, die ökologische Vielfalt bewahren bundeseinheitliche Hilfe verweigert.

Sehen und lesen Sie die vollständige Rede von Kirsten Tackmann vom 20. November im Plenum des Deutschen Bundestages.

Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Trotz Erhöhung auf 6 Milliarden Euro bleibt der Etat für Ernährung und Landwirtschaft weiter eher eine kleine Kasse im Bundeshaushalt. Allein das Verteidigungsministerium bekommt 4 Milliarden Euro zusätzlich. Das finde ich echt absurd.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, der Bereich Agrar bekommt auch noch aus Brüssel und aus den Bundesländern Geld. Trotzdem geht es vielen Agrar- und Gartenbauunternehmen nicht gut und auch vielen Menschen in den Dörfern und kleinen Städten nicht. Ich wohne selbst in einem kleinen Dorf in Nordwestbrandenburg mit etwa 50 Mitmenschen. Ich erlebe, wie schwierig der Alltag in meiner Nachbarschaft oft ist, weil Arbeitsplätze weit weg sind und schlecht bezahlt werden, weil Arzt, Apotheke, Kita oder Schule schwer erreichbar sind, weil kein Dorfladen, nicht mal eine Kneipe existiert. Aber dort wohnen nicht nur Leute, die nicht schnell genug weggekommen sind, weil sie alt, doof oder krank sind. Dort wohnen Leute wie ich, und wir wollen dort wohnen bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Unterdessen flüchten sogar Menschen aus den Speckgürteln und den Metropolen wieder aufs Land, zum Beispiel auf der Flucht vor explodierenden Mieten. Hier gibt es dann auch wieder die Angst vor der Verdrängung; denn nicht überall in den ländlichen Räumen sind Wohnungsleerstand und Abrissnotwendigkeit vorhanden. Ich erlebe eben auch, dass sich Natur und Landwirtschaft verändern. Frühere Allerweltsarten verschwinden, von Schmetterlingen und Insekten ganz zu schweigen. Dafür machen sich Investoren in Agrarbetrieben breit, die mit uns vor Ort nichts zu tun haben. Nein, es reicht nicht, nur über diese Probleme zu reden; es muss endlich gehandelt werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ändert sich viel zu wenig und zu langsam, und auch der Bund muss noch mehr tun. Dabei geht es nicht nur um mehr Geld; das Geld muss auch leichter zugänglich sein – meine Kollegin Heidrun Bluhm hat dazu schon etwas gesagt –, und wir wollen in den Dörfern auch selber entscheiden, wo es gebraucht wird. Das Regionalbudget ist ein Angebot; aber wir werden sehr genau gucken, was daraus wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Lebendige Dörfer sind kein Selbstzweck; hier wird die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert. Aber die Fachkräftesuche wird für Agrarbetriebe noch schwieriger, wenn es kein gutes Leben vor Ort gibt. Ohne Einkommen, Wohnung, Bus, Bahn, Ärztinnen und Ärzte,
Kita und Schule in der Nähe wird man im Dorf nicht leben können. Aber ohne intakte Natur wird man dort nicht leben wollen – und das zu Recht.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Markus Tressel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nein, das alles sind nicht nur Aufgaben der Agrarministerin; das ist klar. Und ja, sie hat ein schweres Erbe übernommen. Trotzdem: Guter Wille allein reicht nicht,

(Susanne Mittag [SPD]: Das stimmt!)

erst recht nicht, wenn der Etat der Ministerin deutlich höher ist als der ihrer Vorgängerinnen. Ja, mehr Geld für Tierwohl zum Beispiel und Beratung in den Betrieben ist richtig und gut. Aber wenn weiter die sinnvollsten Tierschutzlösungen durch Handels und Schlachthofkonzerne blockiert werden, dann ist das für mich als Tierärztin unerträglich.

(Beifall bei der LINKEN)

Ferkel müssen nicht chirurgisch kastriert werden; auch männliche Küken müssen nicht getötet werden, weder vor noch nach dem Schlupf.

(Susanne Mittag [SPD]: Richtig!)

Dass Schäfereien notwendige Hilfe bis auf ein paar Krümel weiter verweigert wird, ist eine Schande. Ihre schwierige Einkommenssituation ist seit Jahren bekannt, und sie ist unverschuldet; denn sie sind die großen Verlierer der EU-Agrarförderung. Sie bekommen zu wenig Geld für ihre schwere, aber für uns sehr wichtige Arbeit, für die Pflege der Kulturlandschaft, der Deiche und der vielfältigen Natur.Weder für Wolle noch für Fleisch noch für den Herdenschutz werden sie angemessen bezahlt. Die Folgen dieser falschen Politik sind Existenzverlust, Altersarmut und eine wachsende Fachkräftelücke – trotz großem Interesse an diesem Beruf. Ich finde, das ist unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Antrag der Linken für ein Bundesprogramm Weidetierhaltung mit 50 Millionen Euro ist leider wieder abgelehnt worden,

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Aber wir bleiben dran!)

ebenso das seit Jahren geforderte Herdenschutzkompetenzzentrum. Das Milliönchen der Koalition für ihr sogenanntes Bundesprogramm „Wolf“ ist nicht mal ein Tropfen auf den überhitzten Stein; es ist möglicherweise aber der Tropfen, der in den Schäfereien das Fass zum Überlaufen bringen kann. Deswegen und nicht nur deswegen werden wir den Haushalt ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Hier die gesamte Plenardebatte zum Agrarhaushalt 2019.