Rede zu Protokoll Dr. Kirsten Tackmann, 13. November 2014 TOP 16
Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wirksamkeit von Antibiotika erhalten – Einsatz in der Tierhaltung auf das Notwendige reduzieren
Drucksache 18/3152
Die Anwendung von Antibiotika ist notwendig und ethisch geboten. Unter zwei Voraussetzungen: eine Infektionskrankheit ist zweifelsfrei diagnostiziert und die Wirksamkeit des Wirkstoffs gegen den Erreger ist nachgewiesen. Das gilt für Nutztierbestände ebenso wie für die Behandlung von Haus- und Heimtieren und selbstverständlich auch für die Humanmedizin. Es ist gut und überfällig, dass sich Veterinär- und Humanmedizin nun gemeinsam darum kümmern, dass der missbräuchliche und sorglose Gebrauch von Antibiotika aufhören.
Die Entdeckung des Penicillins war ein sehr wertvolles Geschenk an die Menschheit, mit dem plötzlich die Geisel verheerender Krankheiten beherrschbar wurde. Diese Therapiemöglichkeit darf auf keinen Fall verspielt werden!
Doch dieses Risiko wird tagtäglich eingegangen, wenn Antibiotika missbräuchlich oder sorglos angewandt werden. Zum Beispiel, wenn statt die Ursachen von Infektionskrankheiten in Nutztierbeständen zu beheben, ganze Bestände häufig, regelmäßig und unsachgemäß behandelt werden. Das damit verbundene Risiko der Resistenzbildung und damit der Unwirksamkeit der Antibiotika betrifft uns alle. Deshalb fordert die Öffentlichkeit völlig zu Recht, dass wir als Gesetzgeber unseren Teil der Verantwortung übernehmen und, da nötig, gesetzliche Regeln zum Schutz der Allgemeinheit verschärfen und, mindestens ebenso wichtig, ihre Durchsetzung auch zu sichern.
Denn die seit drei Jahren veröffentlichten Antibiotikamengen und das Resistenzmonitoring in der Tierhaltung reichen ja offensichtlich nicht aus, um das Problem zu lösen.
Der Heimtierbereich und die Humanmedizin müssen zwingend in die strategischen Überlegungen zu Minimierungskonzepten einbezogen werden. Die Linksfraktion fordert seit Langem, die Wirkstoffe für die Human- und die Veterinärmedizin konsequent zu trennen. Auch die Resistenzentwicklung bei Desinfektionsmitteln ist ein dringendes Forschungsthema.
Darüber hinaus gehört für die Linksfraktion zum Thema auch die Forderung nach gut ausgebildetem und fair entlohntem Betreuungspersonal, welches mit den Tieren arbeitet. Dazu soll auch ein Sachkundenachweis für Betriebspersonal ohne landwirtschaftliche Ausbildung dienen, der bei nachgewiesenen Verstößen mit Auflagen versehen werden oder in schweren Fällen bzw. bei Wiederholung auch entzogen werden kann. Weitere Forderungen zu einem strategischen Ansatz für mehr Tiergesundheit haben wir bereits 2012 mit dem Antrag „Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung reduzieren“ (Bundestagsdrucksache 17/8348) vorgelegt.
Angesichts der Bedeutung dieses Themas ist es gut, dass der Ton des Antrags der Grünen heute deutlich weniger schrill ist als in der Vergangenheit. Sie halten nun am Dispensierrecht fest und verzichten darauf, die Reduktion absoluter Abgabenmengen zu fordern.
Es ist sinnvoll, Herstellerrabatte zu reduzieren. Auch einheitliche Abgabepreise können sinnvollerweise ökonomische Anreize zum übermäßigen Einsatz von antimikrobiellen Wirkstoffen reduzieren. Reserveantibiotika, wie beispielsweise Fluorchinolone und Cephalosporine, sollten nur noch im absoluten Ausnahmefall eingesetzt werden dürfen. Ein Antibiogramm zur Prüfung der Wirksamkeit der jeweiligen Wirkstoffe muss zum Standard werden.
Alarmierend ist auch der erstmalige Nachweis von Sulfadimidin im Grundwasser im Kreis Cloppenburg, ein ausschließlich als Tierarzneimittel verwendeter Wirkstoff, der vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde.
Antibiotikaverbrauch wirksam zu reduzieren heißt zwingend die Haltungsbedingungen der Tiere zu verbessern. Tiergesundheit muss in den Mittelpunkt gestellt werden. Dazu gehören Besatzdichten und -größen ebenso auf den Prüfstand wie Qualzuchten oder Bestandsmanagement. Wir brauchen verbindliche Kriterien, die sowohl den Anforderungen des Tierschutzes und vernünftigen Arbeitsbedingungen, aber auch dem Schutz der Lebensqualität in den Dörfern und einer nachhaltigen Regionalentwicklung gerecht werden. Die Größe der Nutztierbestände an einem Standort ihre Zahl in der jeweiligen Region ist dabei nur ein, wenn auch wichtiger Aspekt. Unsere Vorschläge zur Definition von Bestandsobergrenzen für Tierhaltungen am Standort und in Regionen liegen längst auf dem Tisch. Die Öffentlichkeit erwartet von uns zu Recht endlich Entscheidungen.