Immer mehr Betriebe steigen aus der Milchproduktion aus. Seit Monaten erhalten sie keine kostendeckenden Preise. Waren es im Februar noch 40 cent pro Liter, sinkt der Preis nun in Richtung 20 cent. Die durchschnittliche Überschuldung der Betriebe liegt bei 23.000 Euro pro Hektar.
Diese Entwicklung ist brisant, aber nicht neu – seit 2009 stürzen die Milcherzeugerpreise bereits zum dritten Mal ab. Als ich 2005 erstmalig in den Bundestag einzog, lagen wir noch über der Schallmauer von 100.000 Milchviehbetrieben. Unterdessen hat jeder vierte Betrieb aufgegeben. Und die überlebenden 75.000 stehen mit dem Rücken
an der Wand. Deshalb waren tausende Betroffene auf der Straße und haben protestiert.
Unter den nicht kostendeckenden Erzeugerpreisen leiden nicht nur kleine Familienbetriebe oder schlecht gemanagte Betriebe. Gerade den Milchviehbetrieben, die in bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für die Tiere und die Menschen investiert haben, sitzen nun die Banken im Nacken.
In Brüssel wurde zur Linderung der Problemlage ein Milchpaket beschlossen. Davon kommen 69 Millionen Euro in Deutschland an. Ein Tropfen Milch auf den heißen Stein und keine Hilfe. Statt Ursachen zu beseitigen werden Liquiditätshilfen gezahlt, die oft nur ein getarntes Sterbegeld sind, das letztlich doch bei der Bank landet.
Den meisten Bäuerinnen und Bauern geht es nicht um Geld aus Brüssel. Was die Milchviehbetriebe brauchen ist ein Systemwechsel. Und zwar zuallererst in den Köpfen der Agrarpolitiker aus CDU/CSU, aber auch des Deutschen Bauernverbandes und des Landwirtschaftsministeriums. Die Milchstraße von Agrarminister Schmidt ist eine Sackgasse, denn er setzt auf Agrarexporte und predigt das zynische Dogma „Wachsen oder Weichen“.
Linke und Grüne haben einen gemeinsamen Antrag gestellt. Unser Antrag „Milchmarkt stabilisieren – Milchkrise beenden“ wurde am Donnerstag im Plenum des Deutschen Bundestages erstmals diskutiert.
Der zentrale Vorschlag ist die Einführung eines Systems zur nachfrageorientierten Steuerung der Milchmenge. Der Bund Deutscher Milchviehhalter hat sich dazu ausgiebig Gedanken gemacht. Wir finden, ein solches System sollte gemeinsam mit Milcherzeugerinnen und Milcherzeugern, Molkereien, Wissenschaft und Verbraucherverbänden entwickelt und danach EU-weit eingeführt werden.
Außerdem wollen wir Handel und Verarbeitung in die Pflicht nehmen für faire Milchpreise. Denn es ist ja nicht so, dass mit Milch kein Geld verdient wird. Supermärkte und Großmolkereien machen durchaus satte Gewinne. Auf Kosten der Milchproduzenten.
Die durchschnittlichen Erzeugerkosten sollen als nicht zu unterschreitender Basispreis für Vertragsverhandlungen mit den Molkereien vorgeschrieben werden. Wir wollen mehr regionale Verarbeitung und Verarbeitung. Und um die Marktübermacht von Supermärkten und Molkereien zu beenden soll das Kartell- und Wettbewerbsrechts gestärkt werden.