Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) > Drucksache 17/12529 <
Die Linksfraktion steht für eine naturnahe Waldbewirtschaftung. Das gilt sowohl für die Forstwirtschaft, als auch für die Jagd. „Jagd ist Dienstleistung am Wald“, hat der Sachverständige Dietrich Mehl von der Arbeitsgemeinschaft Naturnahe Waldwirtschaft in der Anhörung zur Novelle des Bundesjagdgesetzes am 20. Februar 2013 gesagt. Das sehe ich auch so.
DIE LINKE will aber keine Jagd als elitäres Vergnügen betuchter, älterer Herren, obwohl sie das manchmal ist. Wir wollen, dass die Jagd im Interesse des Gemeinwohls und tierschutzgerecht ausgeübt wird. Von einer Jägerschaft, die breit in der Gesellschaft und in den Dörfern und kleinen Städte verankert ist. Und die ihre jagdliche Funktion als Teil des Ökosystems Kulturlandschaft definiert, in dem der Mensch große Beutegreifer wie Wölfe, Braunbären oder Luchse nahezu ausgerottet hat.
Um das Ziel einer naturnahen Waldbewirtschaftung zu erreichen, müsste sich an der Jagdpraxis und teilweise auch den gesetzlichen Grundlagen einiges ändern. Ob dies besser auf Bundes- oder auf Landesebene zu ändern ist, darüber scheiden sich die Waldgeister. Vermutlich liegt die Wahrheit wie so oft in der Mitte: Manches sollte auf Bundes-und anderes kann auf Landesebene geregelt werden.
Es gäbe jedenfalls viele Gründe für eine umfassende Novelle des Bundesjagdgesetzes. Leider ist der Gesetzentwurf kein umfassender Reformansatz, sondern lediglich eine notwendige Umsetzung eines Gerichtsurteils.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied am 26. Juni 2012, dass Bodeneigentümerinnen und –eigentümern die Möglichkeit eingeräumt werden muss, das Jagen auf ihrem Grundstück verbieten zu können. Nach Ansicht des Gerichtes verstößt die aktuelle deutsche Gesetzgebung gegen Artikel 1 Protokoll Nr. 1 (Schutz des Eigentums) der Europäischen Menschenrechtskonvention. Grundstückeigentümer unter 75 Hektar sind automatisch Mitglied in einer Jagdgenossenschaften und müssen bisher die Jagd auf ihren Flächen dulden, auch wenn sie das nicht wollen. Entgegen der Hoffnung einiger Hundert Jagdgegnerinnen und -gegner, die sich in den vergangenen Wochen per Mail auch an mein Büro gewandt haben, begründet das Urteil des EGMR kein Recht auf Befriedung.
So oder so muss das EGMR-Urteil natürlich in deutsches Recht umgesetzt werden und wir können in Zukunft von einigen jagdfreien Flächen ausgehen.
DIE LINKE respektiert selbstverständlich diese Rechtslage. Wer Jagd aus ethischen Gründen ablehnt muss die Möglichkeit haben, diese auch mit in die Waagschale zu werfen. Allerdings gibt es weitere Betroffene von dieser Entscheidung. Das ist auch in der Anhörung diskutiert worden. Dabei geht es nicht nur um die Flächenbewirtschafter wie Land- oder Forstwirtschaft, sondern – und für uns als LINKE besonders wichtig zu berücksichtigen – auch um das Gemeinwohl. Eigentum muss nach Artikel des 14 Grundgesetzes zum Gemeinwohl verwendet werden. Das ist eine der so genannten Ewigkeitsklauseln unserer Verfassung.
Um diesen Zielkonflikt zu entschärfen brauchen wir eine bessere gesellschaftliche Legitimation der Jagd. Denn die Ablehnung der Jagd hat ja teilweise auch mit berechtigter Kritik zu tun. Und wahr ist ja auch, dass trotz Jagd die Schalenwildbestände – Rehe, Hirsche. Wildschweine – vielerorts historisch hoch sind. Die Ursachen dafür müssen ebenso sachlich diskutiert werden wie wildbiologisch begründete Maßnahmen zur Lösung des Problems. Dabei kann eine effektive Jagd auch nur ein Baustein in einer vielfältigen Strategie sein.
Jagdfreie Grundstücke sollten eine begründete Ausnahme sein. Sie erschweren eine wirkungsvolle, naturnahe Bejagung und damit auch eine naturnahe Waldbewirtschaftung. Beispielsweise werden Drückjagden durch befriedete Flächen in den Revieren erheblich schwieriger und unsicherer. Weder großflächige noch ein Mosaik aus vielen jagdfreien Flächen dienen einer naturnahen Waldbewirtschaftung. Die flächendeckende Bejagung macht Sinn, auch wenn sowohl ihre Ausübung als auch die damit einhergehende Jagdkultur hier und da kritisierenswert sind. Über berechtigte Kritik muss dringend gesprochen werden. Daher haben wir auch die Anhörung zum Gesetzentwurf im Agrarausschuss des Bundestages zusammen mit der SPD und den GRÜNEN beantragt.
Die Linksfraktion hat sich bereits vor einigen Wochen intensiv mit dem Gesetzentwurf auseinandergesetzt. So haben wir zum Beispiel in einer Kleinen Anfrage die Bundesregierung zur Änderung jagdlicher Vorschriften befragt (vgl. Bundestagsdrucksache 17/11983 „Änderungen jagdrechtlicher Vorschriften“). Die heute vorgeschlagenen Änderungsvorschläge zum Bundesjagdgesetz halte ich für angemessen. Die Ablehnung der Jagd aus ethischen Gründen steht nun einmal Gemeinschaftsinteressen wie Waldumbau, Arten- oder Tierschutz gegenüber. Damit wird den Behörden eine Interessenabwägung in die Hände gelegt. Dies ist vor allem dann sorgfältig durchzuführen, wenn einerseits mehrere Anträge in einem Revier vorliegen oder andererseits die herauszunehmende Fläche von zentraler Bedeutung für die jagdliche Funktionalität des Revieres ist. Dass nur natürliche Personen antragsberechtigt sind, halte ich für angemessen. Die ethische Entscheidungsgrundlage juristischer Personen wäre nur sehr schwer zu belegen. Ggf. muss dies juristisch entschieden werden.
Die Linksfraktion stimmt dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu. Wir hätten gerne noch den Vorschlag des Bundesrates zum unbeabsichtigten Überjagen der Hunde aufgenommen, doch dies lässt sich ja ggf. bei der nächsten Novelle des BJagdG nachholen. Und diese sollte deutlich umfassender sein, als die heutigen Änderungen. Bis dahin müssen wir weiter über die ursprünglich im Gesetzentwurf enthaltenen Wildtierfütterungsverbote oder Veränderungen bei den Jagd- und Schonzeiten debattieren.
Wieso die grüne Fraktion diesen Gesetzentwurf ablehnt, ist mir unverständlich. Unterstützt er doch das Ziel einer naturnahen Waldbewirtschaftung, die ihnen sonst so wichtig ist. Gleichzeitig kritisieren sie, dass zur Anhörung keine Tierschutzverbände eingeladen wurden. Die Expertinnen und Experten für die Anhörungen werden aber nach Größenproporz von den Fraktionen benannt. Die grüne Fraktion hatte es also selbst in der Hand, einen Tierschutzverband zu benennen. Sich öffentlich nun über das Fehlen zu empören, ist scheinheilig.
Lesen Sie die vollständige Debatte: 130228_Debatte_Bundesjagdgesetz_17225