von Dr. Dietmar Barkusky, Die Linke Müncheberg
Dr. Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der LINKEN, betonte in ihren Ausführungen, dass die Organisatoren statt den Begriff „Massentierhaltung“ bewusst das Wort „Nutztierhaltung“ wählten, denn weniger Nutztiere zu halten bedeutet nicht automatisch mehr Tierwohl, worum es den Initiatoren des Volksbegehrens schließlich völlig zu Recht geht. Gleichwohl unterstützt die Brandenburger Linke das Volksbegehren, weil etwas gegen negative Entwicklungen in der Tierhaltung, die mit guter landwirtschaftlicher Praxis nichts mehr zu tun haben, getan werden muss. Wir benötigen ein neues Leitbild für die Landwirtschaft mit Konzentration auf die regionale Versorgungsfunktion mit landwirtschaftlichen Produkten. In den vergangenen Jahren wurden die Landwirte gedrängt, sich den globalen Märkten zu stellen. Das heißt Produktion über die Nachfrage hinaus bei tendenziell sinkender Agrarförderung. Die Folge sind Dumpingpreise, mit denen die Landwirte kaum leben können. Darüber hinaus ist die Ausbreitung großer Kapitalgesellschaften, die ganze Landwirtschaftsbetriebe aufkaufen, bedenklich. Mit dieser Entwicklung ist zu befürchten, dass sich dörfliches Leben und landwirtschaftliche Produktion immer mehr entfremden. Eine Allianz von dörflicher Bevölkerung und landwirtschaftlichen Produzenten wäre jedoch zur Bewältigung der vor uns stehenden Herausforderungen dringlich nötig. Kirsten Tackmann verwies auf das im März 2015 veröffentlichte Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarfragen beim Bundeslandwirtschaftsministerium. Nach den Untersuchungen ergeben sich in der Summe „für Deutschland – überschlagsmäßig geschätzt – tierschutzinduzierte zusätzliche jährliche Kosten von ca. 3 bis 5 Mrd. € bzw. Erhöhungen der derzeitigen Produktionskosten um 13 bis 23 %, die allerdings zwischen den Produktionszweigen stark variieren. Diese Kosten entsprechen in etwa 0,1 bis 0,2 % des Bruttonationaleinkommens, ca. 3 bis 5 % der Gesamtausgaben für Lebensmittel in Deutschland oder etwa 60 bis 100 % des heutigen Jahresbudgets für die Direktzahlungen im Rahmen der GAP in Deutschland.“ Die Linkspolitikerin äußerte ihre Überzeugung, dass dies gesellschaftliche Akzeptanz finden könne und darüber geredet werden muss. Bemerkenswert sei, dass die Studie der bundeseigenen Forschungseinrichtung weitgehend ignoriert wird. Einen bescheidenen Fortschritt habe die Bundesregierung immerhin mit der Änderung des §35 des Baugesetzes bewirkt, so dass die Privilegierung des Baus von Stallanlagen im Außenbereich eingeschränkt wurde und der rein gewerblichen Tierhaltung ein Riegel vorgeschoben ist. Vom Tisch ist der Bau riesiger Schweine- und Geflügelmastanlage damit dennoch nicht. Kirsten Tackmann geht die Gesetzesänderung nicht weit genug. Sie plädiert darüber hinaus für eine Flächenbindung der Tierhaltung, nach der nur so viel Nutztierhaltung zulässig ist, wie landwirtschaftliche Nutzfläche in der Region real für die Futterproduktion und zur Verwertung des Wirtschaftsdüngers zur Verfügung steht und bei der die Belange es Umwelt- und Naturschutzes hinreichend Beachtung finden. Sie appellierte, dass sich nach den heftigen, z.T. sehr polemisch geführten Diskussionen in der vergangenen Zeit die Gemüter nun doch etwas beruhigen sollten. Wir brauchen eine sachliche Diskussion, es geht nur gemeinsam. Vor allem halte sie nichts vom „Bruder-Schwester-Kampf“ zwischen konventionell und ökologisch wirtschaftenden Landwirten.
Andreas Bergmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter von Kirsten Tackmann, informierte über die 2015 bisher geförderten Neu- oder Erweiterungsbauten von Stallanlagen im Land Brandenburg auf der Grundlage von Daten, die das Landwirtschaftsministerium freundlicherweise zur Verfügung stellte. Selber präsentieren wollte das Ministerium die Angaben nicht. Von insgesamt fünfzig Förderanträgen 2 betreffen dreißig die Rinder-, sieben die Schweine-, elf die Geflügel- und zwei die Pferdehaltung. Zu laufenden Antragsverfahren und Angaben nicht geförderter Bauvorhaben konnte oder wollte das Ministerium keine Angaben machen. Die in der Öffentlichkeit bekannten, oftmals umstrittenen Bauprojekte kommen in der vorliegenden Liste des Ministeriums nicht vor.
Dr. Werner Kratz vom Naturschutzbund Brandenburg e.V. ging in seinen Ausführungen insbesondere auf die Genehmigung einer Schweinemastanlage in Tornitz im Landkreis Oder-Spree-Lausitz ein. Über 60.000 Schweine werden in der einzigartigen, touristisch attraktiven Landschaft gemästet. Die riesige Schweinemastanlage in der Lausitz verursacht erhebliche Umweltschäden durch emittierende Aerosole und Stickstoffverbindungen. Umliegende Böden und Wälder sind nachweislich belastet, berichtet Werner Kratz. Der Umweltwissenschaftler kritisierte, dass selbst in der Baugenehmigung festgehaltene Auflagen nicht eingehalten würden und der Gesetzgeber, in diesem Fall das Land Brandenburg, der Kontroll- und Durchsetzungspflicht nicht hinreichend nachkommt. So seien in Tornitz Filteranlagen veraltet und die Güllebecken bis heute nicht abgedeckt worden. Ob die von ihm präsentierte hohe Nitratbelastung des Grundwassers in der Uckermark auf eine intensive Tierhaltung zurückzuführen ist, blieb offen. Der Redner verwies auf Gefahren der Anreicherung von Schwermetallen durch die Nutzung von konzentrierten Gärresten aus Biogasanlagen und fordert diesbezüglich strengere gesetzliche Auflagen, wie sie z.B. für Klärschlämme gelten. Auch die Anwendung von Antibiotika in der Tierhaltung und daraus resultierende Folgeschäden blieben nicht unerwähnt. Seine Ausführungen provozierten zu Recht kritische Fragen bei den zahlreich vertretenen Landwirten, denn schnell wird die Verwendung von Gülle und Gärresten pauschal als gefährdend eingestuft und der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung als im großen Umfang allgemein üblich dargestellt. Richtig ist, dass eine übermäßige Anwendung jeglicher organischer Düngemittel aus der Tierhaltung, also auch von Stallmist, wegen möglicher Nitratauswaschungen in das Grundwasser problematisch ist, auch im ökologischen Landbau. Was Antibiotika betrifft, so hat der Gesetzgeber, in diesem Fall der Bund, auf die öffentliche Debatte zwar reagiert, doch sei mit der verordneten Antibiotika-Datenbank das Problem nicht vom Tisch. Vor allem wurde kritisiert, dass keine hinreichende Transparenz hergestellt sei.
Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg e.V. ging in seinen Ausführungen auf die Hintergründe des Volksbegehrens gegen Massentierhaltung ein, die unterdessen als Volksbegehren in den Endspurt gegangen ist. Er kritisierte, dass Milch und Schweinefleisch in Massen für den Export produziert werden. Dennoch erzielen die Landwirte niedrige Erlöse. Den subventionierten massenhaften Export von Agrarprodukten als einen Beitrag zur Bekämpfung des Hungers in der Welt zu deklarieren sei ein Trugschluss, betonte er. Hunger lässt sich nur vor Ort beseitigen. Michael Wimmer sprach das Kuppieren von Schwänzen bei Schweinen an. Das Entfernen der Schwänze ist in zahlreichen Ländern Europas längst verboten oder stark eingeschränkt. Deutschland verweigert bislang die Umsetzung solcher Maßnahmen. Ihm sei allerdings klar, dass zur Durchsetzung eines Verbotes Investitionen erforderlich sind, die die Landwirte stemmen müssen. Deshalb sei ein Verbot kurzfristig nicht umsetzbar, aber es werde ein Ausstiegsplan gebraucht.
Thomas Domres, Parlamentarischer Geschäftsführer der LINKEN im Brandenburger Landtag, verwies darauf, dass bei aller berechtigten Kritik der Umweltverbände sehr häufig darüber gestritten wird, wer die gesetzgeberische Hoheit hat, das Land oder der Bund. In vielen Fällen gelten in Bezug auf die Landwirtschaft das EU- und Bundesrecht. Dennoch hat die Linke in intensiven Gesprächen mit den Umweltverbänden bei vielen, wenn auch nicht allen Forderungen Übereinstimmung erzielen können. Regierungsverantwortung in einer Koalition bedeutet, Kompromisse einzugehen. Der SPDKoalitionspartner wird nur das an linker Politik mittragen, was im Koalitionsvertrag vereinbart werden konnte. Die Brandenburger SPD zeigte sich bislang sehr distanziert in Bezug auf Veränderungen in der Agrarpolitik. Das Volksbegehren und das Drängen der LINKEN haben aber schon jetzt Wirkung beim Koalitionspartner gezeigt, so scheint es jedenfalls. Im SPD-geführten Landwirtschaftsministerium ist die Förderfähigkeit des Neubaus von Tierproduktionsanlagen nun eingeschränkt worden. Minister Vogelsänger entschied, bei Stallbauten nach einer Übergangsfrist ab 2017 nur noch Anträge nach den 3 Höchstkriterien der Premiumförderung zu bearbeiten und die Basisförderung hierfür nicht mehr anzubieten. Den Einwand eines Landwirts, für Investitionen in seiner Stallanlage zur Verbesserung des Wohlbefindens seiner Milchkühe die Premiumförderung nicht nutzen zu können, griff Thomas Domres auf. Die konkreten Kriterien für die Premiumförderung sollen einer Evaluation unterzogen werden. Es wäre denkbar, dass im Ergebnis Investitionen zur Verbesserung des Tierwohls in bestehenden Anlagen möglich werden. Angesprochen wurde des Weiteren, den Kommunen eine frühzeitige Beteiligung am Genehmigungsverfahren zu ermöglichen. Dies sollte durch Änderungen in der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg möglich werden. Im Gegensatz zur Linken sieht der Koalitionspartner SPD weiterhin Probleme bezüglich der Durchsetzung des Verbandsklagerechts. Thomas Domres zeigte sich optimistisch in dieser Frage, weil unterdessen klar ist, dass im Umweltbereich kein Missbrauch dieses Rechts nachweisbar ist und die SPD sowohl auf Bundesebene als auch in Landesregierungen diese Forderung unterstützt und teilweise bereits umgesetzt hat. Egal wie das Volksbegehren enden wird, so der Linkspolitiker, es hat zu einer breiten Diskussion geführt, die nicht mehr aufzuhalten ist. Politiker, Landwirte und Endverbraucher sind sensibilisiert.
Der Geschäftsführer eines Agrarunternehmens aus der Region Müncheberg mit etwa 700 Milchkühen und über 2.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche berichtete, er sei als „Massentierhalter“ auf einer „schwarzen Liste“ des Naturschutzbundes vermerkt. Sein Betrieb möchte gute Arbeit leisten und natürlich auch Geld verdienen. Letzteres sei heute für den Landwirt nicht einfach. Neue Wege zur Direktvermarktung werden gegangen. Im Dorf wurde eine Milchtheke aufgebaut. Weitere solche Einrichtungen sollen in Berlin entstehen. Der Landwirt berichtete, dass in kleinen tierhaltenden Betrieben wegen der schwierigen Arbeitszeitgestaltung Personal schwer zu finden ist. Geregelte Arbeitszeiten und Urlaub ließen sich erst ab einer bestimmten Betriebsgröße arbeitnehmerfreundlich organisieren. Den meisten Anwesenden war dies sicherlich neu.
Henryk Wendorff, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Märkisch Oderland, kritisierte getroffene Äußerungen der Öko- und Naturschutzvertreter, die z.T. zu Pauschalurteilen verleiten und damit nicht zielführend seien. In der Tat sind die Bauern immer wieder gedrängt worden, sich den Chancen des globalen Marktes zu stellen. Dennoch geht es ihnen heute nicht gut. Die Kritik gegen überdimensionierte Tierproduktionsanlage wie die in Tornitz ist berechtigt. Doch zu einer ordnungsgemäßen Landwirtschaft gehört auch Tierhaltung. Eine etwas höhere Tierkonzentration täte dem Land Brandenburg sicher gut.
Die Menschen in unserem Land möchten tierische Produkte essen, daran wird sich so schnell nichts ändern. Tierproduktion bleibt demnach ein wichtiger Bestandteil unserer Landwirtschaft. Die Tierdichte ist in Brandenburg mit 0,41 Großvieheinheiten (GV) je Hektar gegenüber 1,49 GV je Hektar im Mittel der Bundesrepublik sehr gering. Eine GV entspricht z.B. einer Kuh älter 2 Jahre oder etwa 5 Mastschweine auf einer Fläche von einem Hektar. Die Nutztierhaltung ist in Brandenburg gegenüber 1991 stark zurückgegangen, bei Rindern um 27 Prozent und bei Schweinen um 22 Prozent. Die Rinderhaltung stagniert auf niedrigem Niveau. Dagegen nehmen gewerbliche Schweine- und Geflügelhaltung seit den letzten Jahren wieder zu.
Bundesweit wird vor allem Schweine- und Geflügelfleisch deutlich über den Bedarf produziert. Nach dem bereits erwähnten Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarfragen des BMEL ist in der Bundesrepublik die Produktion von Schweinefleisch seit 1999 um knapp 26 % gestiegen und die Geflügelfleischproduktion sogar verdoppelt worden, während die Rindfleischproduktion um 21 % gesunken ist. „Bei Schweine- und Geflügelfleisch, aber auch bei Käse, ist Deutschland innerhalb von zehn Jahren von einem Nettoimporteur zu einem bedeutenden Nettoexporteur geworden“, heißt es. Ausgehend vom Selbstversorgungsgrad von Brandenburg-Berlin sollte gegen einen höheren Tierbesatz nichts einzuwenden sein. Nach Darstellungen des MLUV Brandenburg lag 2012 die Selbstversorgung mit Schweinefleisch bei nur 36 Prozent, bei Milch und Eiern bei knapp 70 Prozent. Dem gegenüber ist bei Geflügelfleisch der Eigenversorgungsgrad mit 88 Prozent vergleichsweise hoch. Ein erhöhter Tierbesatz setzt aber voraus, dass sozial und ökologisch vernünftige Strukturen geschaffen werden und die Tierhaltung integraler Bestandteil eines landwirtschaftlichen Betriebes ist. In der breiten 4 Öffentlichkeit wird eine Ausweitung der Nutztierhaltung auch nur dann Akzeptanz finden, wenn die regionale Vermarktung zur Eigenversorgung ausgebaut wird. Eine stärkere Hinwendung zu regionalen Kreisläufen von der Produktion, über die Veredlung bis hin zur Vermarktung würde so manche Probleme der Landwirtschaft, die wir heute diskutieren, beseitigen. Sicherlich sind regionale Kreisläufe vollumfänglich nicht möglich und auch nicht sinnvoll.
Wenig beachtet in der Debatte um die Nutztierhaltung ist die gesetzliche Forderung nach Erhalt der Bodenfruchtbarkeit. Um den Humusvorrat im Boden zu sichern, sind auf den vornehmlich wenig fruchtbaren Ackerflächen Brandenburgs die pflanzlichen Reststoffe weitgehend auf dem Feld zu belassen und die organischen Dünger aus der Nutztierhaltung notwendig. Dies trifft umso mehr zu, wenn die Begehrlichkeit an pflanzlichen Stoffen, insbesondere Stroh, zur Energiegewinnung und anderen industriellen Verwertung wächst.
Letztlich geht es darum, nachhaltig sichere Lebensmittel umwelt- und tiergerecht zu fairen und bezahlbaren Preisen zu produzieren. Der Landwirt muss von seiner Arbeit gut leben können und für den Endverbraucher müssen die Lebensmittel bezahlbar bleiben. Nach dem Ende der Veranstaltung bestand bei zahlreichen Besuchern das Bedürfnis nach einem weiteren Meinungsaustausch, was die gute Atmosphäre während der Veranstaltung unterstrich. Die Diskussion geht weiter, soviel ist sicher.