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!! ACHTUNG!! DIESE SEITE WIRD NICHT MEHR AKTUALISIERT. Bitte wenden Sie sich mit Ihren Anliegen nach dem Ende des Mandats von Dr. Kirsten Tackmann am 26.10.2021 an die aktuelle Linksfraktion im Bundestag. Für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und konstruktive Kritik der vergangenen 16 Jahre möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken.

Die Verlierer sind vor allen Dingen die Milchviehbetriebe, die ihre Leute gut bezahlen, die ihren Kühen etwas mehr Komfort bieten oder die an schwierigen Standorten arbeiten, zum Beispiel im Mittelgebirge; denn in diesem ruinösen Wettbewerb geht es vor allen Dingen um niedrige Erzeugungskosten. Als Linke sage ich: Das ist ein Irrweg.

Tagesordnungspunkt 23

a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
Auslaufen der Milchquote – Wettbewerbsfähigkeit der Milchviehhalter sichern
Drucksache 18/4424

b) Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Landwirtschaft braucht flächendeckende Milchviehhaltung – Bäuerliche Milcherzeuger stärken – Milchpreise stabilisieren
Drucksache 18/4330

150327 Rede KT Milch

 

Rede im Bundestag, 27.03.2015

Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! In ein paar Tagen fällt nun die Brüsseler Milchquote. Seit 1984 durften Milchbäuerinnen und Milchbauern nur die Milchmenge produzieren, die sie vorher über die Quote teuer gekauft hatten. Damit sollten Milchseen und Butterberge verhindert werden und die Preise stabil bleiben.

Aber das hat – zugegeben – nur begrenzt funktioniert: Das Höfesterben wurde nicht aufgehalten, und seit circa 2007 schwankt der Milchpreis wieder erheblich. Viele können sich sicherlich noch an die europaweiten Milchstreiks vor einigen Jahren erinnern. Legendär war die tagelange Belagerung des Kanzlerinnenamtes durch Milchbäuerinnen; das hat mich sehr beeindruckt. Die Politik hat schließlich reagiert. Heraus kam eine sogenannte Kuhschwanzprämie, also Geld für die Betriebe. Allerdings war das eher eine Sterbe- als eine Überlebenshilfe. Das haben wir von Anfang an kritisiert, und leider haben wir damit recht behalten.

Manche jubeln jetzt darüber, dass die Fesseln der Quote endlich fallen, damit sie endlich so viel Milch produzieren können, wie sie wollen. Wachstum ist hier das Zauberwort. Der Preis für diese Freiheit könnte sich aber als sehr hoch erweisen; denn die Profiteure dieser Entscheidung arbeiten nicht in den Kuhställen. Sie sitzen vor allen Dingen in den Chefetagen des Lebensmitteleinzelhandels und der Molkereien. Sie werden bald auf große Mengen billiger Milch zugreifen können. Gleichzeitig haben sie die Marktmacht, die Preise für die Erzeuger noch unter die Erzeugungskosten zu drücken, zum Wohl der eigenen Profite. Ich finde, das ist absolut inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Gitta Connemann (CDU/CSU))

Die Verlierer sind vor allen Dingen die Milchviehbetriebe, die ihre Leute gut bezahlen, die ihren Kühen etwas mehr Komfort bieten oder die an schwierigen Standorten arbeiten, zum Beispiel im Mittelgebirge; denn in diesem ruinösen Wettbewerb geht es vor allen Dingen um niedrige Erzeugungskosten. Als Linke sage ich: Das ist ein Irrweg.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun heißt es ja immer, dass der nimmersatte Weltmarkt nur auf die deutsche Milch warten würde. Ich zitiere dazu nur zwei Schlagzeilen aus diesem Jahr. Im Januar stand in den Zeitungen: Bauern in China schütten Milch weg, weil seit August die Preise kontinuierlich gesunken waren. – Anfang März hieß es: „Aldi-Kunden bekommen Dürre in Neuseeland beim Butterpreis zu spüren“. – Die Botschaft ist doch klar: China kann die steigende Nachfrage selbst decken. Die Lebensmittelpreise in den Supermärkten sind von den Erzeugungskosten hierzulande längst abgekoppelt. Sie folgen globalen Einflüssen bis hin zu Währungsschwankungen und Embargos.

Der Traum von einem blühenden Exportmarkt hat das klare Potenzial zu einem veritablen Alptraum. Das Risiko müssen vor allen Dingen die Milchviehbetriebe tragen. Ich finde, das ist ausgesprochen unfair, und das kann auch so nicht bleiben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In der öffentlichen Anhörung dazu am vergangenen Montag erklärten uns dann einige Experten, man könne doch Warenterminbörsen für Milch zur Risikominimierung nutzen. Gerade nach der Finanzmarktkrise finde ich diesen Vorschlag abenteuerlich. Die Linke sagt klar: Milch ist keine Ramschware für den Weltmarkt.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb müssen wir bei der Milchpolitik wieder die Menschen und die Kühe in den Mittelpunkt stellen. Es gibt doch Alternativen. In der Anhörung am Montag hat uns beispielsweise Gunnar Hemme von der Hemme-Milch deutlich erklärt: Er verarbeitet die Milch von drei regionalen Erzeugern. Untereinander werden die Preisschwankungen ausgeglichen. Auf dem Berliner und Brandenburger Markt findet die Hemme-Milch aus der Uckermark großen Zuspruch. – In einem solchen solidarischen Regionalprinzip gelingt übrigens auch die Steuerung der Milchmenge ohne eine Quote. Auch die Kuh genießt eine höhere Akzeptanz, wenn sie für den eigenen Markt produziert und nicht für China.

Was muss sich also ändern, damit Milch nachhaltig und flächendeckend produziert werden kann? Ich nenne zehn wichtige Punkte:

Erstens. Wir brauchen wieder mehr regionale Molkereien, insbesondere in Ostdeutschland.

Zweitens. Wir brauchen kostendeckende Erzeugerpreise, und Lebensmittel müssen trotzdem bezahlbar bleiben.

Drittens. Dazu brauchen wir faire Marktregeln. Dafür muss das Kartellrecht endlich gegen die Marktmacht der Supermärkte und der Molkereien durchgreifen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Viertens. Regionale Produkte müssen leichteren Zugang zu den Supermärkten bekommen.

Fünftens. Sonderangebote bei Lebensmitteln müssen endlich verboten werden.

Sechstens. Irreführende Werbung muss verboten werden. Wo Weidemilch draufsteht, muss sie auch drin sein.

Siebtens. Boden- und Pachtpreise müssen wieder durch Milchproduktion finanzierbar sein.

Achtens. Ein Flächenerhaltungsgebot muss sichern, dass Milchviehbetriebe ihre Flächen nicht – jedenfalls nicht ohne Not – für Biogas, Straßenbau oder Photovoltaik verlieren.

Neuntens wird gut ausgebildetes und gut bezahltes Betreuungspersonal für die Tiere gebraucht.

Zehntens. Dieser Punkt ist mir besonders wichtig: Wir brauchen Milchbetriebsleiterinnen und -betriebsleiter, denen es nicht um kurzfristige Höchstleistungen geht, sondern die die Lebensleistung der Kühe in den Mittelpunkt stellen.

Das bedeutet übrigens – damit komme ich zum Schluss – kein Klein-Klein der Milchproduktion; es geht vielmehr darum, dass sie angepasst an die Region und ohne Größenwahn betrieben wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche frohe Ostern mit glücklichen Hasen und glücklichen Hühnern.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

 

Lesen Sie die gesamte Debatte: 150327_Debatte_Milchquote