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Gerade als Mitverursacher aber auch Betroffene von Arten- und Lebensraumverlust sowie Emittent von klimaschädlichen Gasen und Klimawandel ist die Landwirtschaft eine wichtige Partnerin, wenn es darum geht, umzuschalten auf eine Lebensmittelproduktion, die auch die biologische Vielfalt, unserer gemeinsamen natürlichen Lebensgrundlagen und das Klima schützt. Agroforstwirtschaft ist dabei eine vielversprechende Form der Landnutzung für Klimaschutz und –anpassung.

Agroforstsysteme – altes Wissen nutzen und weiterentwickeln

von Kirsten Tackmann

Agroforstsysteme als Kombination aus Gehölz- sowie Acker- oder Grünlandnutzung haben ein anerkannt und international auch bereits genutztes großes Potenzial für mehr Klima-, Boden- und Gewässerschutz und biologische Vielfalt. Dabei reicht die älteste bekannte Form der Agroforstwirtschaft bis 4000 v. Chr. zurück. Hudewälder, in denen Nutztiere gehalten wurden, waren im Mittelalter in Europa allgegenwärtig. Außer Relikten wie Streuobstwiesen oder Heckenformationen liegt hierzulande das Potenzial dieses traditionellen Anbausystems leider brach. In einem auf maximale Effizienz – koste es, was es wolle – und kurzfristigen Gewinn orientiertem Wirtschaftssystem haben viele verlernt, in naturgemäßen, komplexeren Strukturen zu denken und mit den damit verbundenen Herausforderungen umzugehen, auch wenn das spätestens mittel- und langfristig für alle von Vorteil ist. Die leider seit ca. 200 Jahren bestehende tiefe emotionale Kluft zwischen Land- und Forstwirtschaft auch in der Politik vor allem in Deutschland steht der Nutzung dieses Potenzials zusätzlich im Weg. Wir leben in Zeiten, in denen die Trennung von Ministerien auch für die künstliche Trennung von Ökosystemen steht.

Gerade als Mitverursacher aber auch Betroffene von Arten- und Lebensraumverlust sowie Emittent von klimaschädlichen Gasen und Klimawandel ist die Landwirtschaft eine wichtige Partnerin, wenn es darum geht, umzuschalten auf eine Lebensmittelproduktion, die auch die biologische Vielfalt, unserer gemeinsamen natürlichen Lebensgrundlagen und das Klima schützt. Agroforstwirtschaft ist dabei eine vielversprechende Form der Landnutzung für Klimaschutz und –anpassung, aber auch mehr mit Umweltleistung auf Äckern und Wiesen. Weidehaltung wird in Zeiten des Klimawandels mit lockerem Baumbewuchs auf den Weiden als Schattenspender tiergerechter. Bäume und Gehölzstrukturen können mit ihren deutlich tieferen Wurzeln als Ackerkulturen Nährstoffe besser im Boden binden sowie die Drainage und das Bodenleben fördern. Grundwasseranalysen auf Flächen mit Agroforstsystemen zeigen eine deutlich reduzierte Nitrat-Konzentration. Gerade angesichts des aktuell drohenden Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland aufgrund zu hoher Nitrat-Konzentration im Grundwasser und Oberflächengewässern ist Agroforstwirtschaft an Gewässerrändern ein wichtiges Potenzial für mehr Gewässerschutz, dessen Nutzung aber leider aufgrund gesetzlicher und fördertechnischer Bedingungen bisher nicht oder nicht risikolos möglich ist.

Ihren Klimaschutzbeitrag leisten Gehölzstrukturen unter anderem durch ihr Bindevermögen von CO2 aus der Luft, der deutlich höher liegt als der von vielen Ackerkulturen. Auch zur Förderung der biologischen Vielfalt und zur Aufwertung des Landschaftsbilds können Agroforstsysteme beitragen. Die Gehölzstrukturen bieten einen wichtigen Brut- und Nistplatz für Insekten und Tiere, die durch den stetigen Flächenverlust bedroht sind. Landwirtschaft kann also auch durch Agroforstsysteme Teil der Lösung eines selbst mitverursachten Problems sein.

Auch das Landschaftsbild gehört hier zu den Gewinnern durch die vielfältigeren Strukturen, wie eine Befragung des Forschungsprojektes unter Leitung der BTU Cottbus-Senftenberg gezeigt hat. Ausgeräumte, strukturarme Agrarflächen sind dagegen keine attraktive Kulturlandschaft. In der Fläche verteilte Bäume oder Baumreihen können das Bild jedoch deutlich verbessern. Eine Agrarlandschaft kann so trotz Nutzung ähnlich einem Landschaftspark aussehen.

Gleichzeitig hat dieses Anbausystem mittel- und langfristig Vorteile für landwirtschaftliche Kulturen und somit auch eine ökonomische Perspektive für Landwirtinnen und Landwirte. Fehlende ökonomische Attraktivität ist jedoch häufig der Hauptkritikpunkt – zu Unrecht. Detaillierte Ertragsmessungen von Ackerkulturen in Kombination mit bewirtschafteten Gehölzstrukturen (wie zum Beispiel Winterweizen und Pappeln) zeigen das Mehrerträge zu erwarten sind. Insbesondere Standorte mit Wasserdefizit profitieren von Gehölzstrukturen aufgrund des verbesserten Bindevermögens von Feuchtigkeit im Boden und geringerer Verdunstung von Wasser. Windmessungen haben gezeigt, dass Agroforstsysteme einen effektiven Windschutz leisten und somit landwirtschaftliche Flächen vor Bodenerosionen schützen. Wichtige Nährstoffe verbleiben somit im Boden und führen zu höheren landwirtschaftlichen Erträgen. Auch der verbesserte Schutz von Ackerkulturen gegen Witterungsunbilden führt zu einer höheren Ertragsstabilität. Ertragseinbußen durch ein erhöhtes Aufkommen von Unkraut auf den Feldern kann dagegen nicht festgestellt werden.

Trotz dieser vielen Vorteile stehen Landwirtinnen und Landwirte vor erheblichen Herausforderungen, wenn sie Agroforstsysteme auf ihren landwirtschaftlichen Flächen etablieren möchten. Ohne konkrete Unterstützung vom Bund wird das Potenzial weiter nicht genutzt und brach liegen. Daher hat DIE LINKE das Thema im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft am 5. Juni 2019 auf die Tagesordnung gesetzt. Die Bundesregierung hat sowohl die Potenziale anerkannt, aber auf die aktuellen Hemmnisse verwiesen ohne Aussagen zum eigenen Beitrag zu ihrer Überwindung. Wieder einmal wurde die Verantwortung allein auf die Bundesländer abgeschoben.

Dabei gebe es eine ganze Reihe von Lösungswegen. Dazu gehört, Agroforstwirtschaft endlich formal als Landnutzungselement anzuerkennen, damit die Landwirtschaftsflächen nach 20 Jahren Agroforst nicht plötzlich den Status als Ackerfläche oder Grünland verlieren. Dazu benötigt es eine vertrauenswürdige Bundes- und Landespolitik mit einer längerfristigen Agrarstrategie. Dass Ackerkulturen- und Gehölzbereich eines Agroforstsystems immer noch nicht als ein pflanzenbauliches System zählen, führt nicht gerade zu dem nötigen Vertrauen unter den Landwirtinnen und Landwirten. Zudem müssen Agroforstsysteme bisher eine Mindestgröße von 0,3 Hektar aufweisen. Für jene willigen Landwirtinnen und Landwirte mit kleinteiligen Flächenarealen bleiben Agroforstsysteme damit bisher uninteressant. Die Umtriebszeit von Agrarholz liegt bisher bei maximal 20 Jahren. Je nach Art des Gehölzes braucht es jedoch mehr als 20 Jahre für lukrative Verwertungsmöglichkeiten (z.B. bei Wertholz und Früchten). Zudem werden bisher nur einige Baumarten als förderfähig anerkannt. Dadurch wird die Vielfalt an Möglichkeiten von Agroforstsystemen stark eingeschränkt, was die Strukturvielfalt der Landwirtschaft und die Biodiversität wiederum einschränkt.

In Frankreich sieht das ganz anders aus. In Montpellier ging letzte Woche der Weltkongress zu Agroforst zu Ende der unter der Schirmherrschaft des französischen Präsidenten Emmanuel Macron stand. Agrarbetriebe brauchen ein so positives agroforstliches Signal auch aus Berlin. In den nächsten Wochen gründet sich in Deutschland der erste Fachverband für Agroforstwirtschaft. Das ist auch eine Aufforderung an die Politik, endlich geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen. DIE LINKE bleibt an dem Thema weiterhin dran und begrüßt die Gründung des Fachverbandes.