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!! ACHTUNG!! DIESE SEITE WIRD NICHT MEHR AKTUALISIERT. Bitte wenden Sie sich mit Ihren Anliegen nach dem Ende des Mandats von Dr. Kirsten Tackmann am 26.10.2021 an die aktuelle Linksfraktion im Bundestag. Für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und konstruktive Kritik der vergangenen 16 Jahre möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken.

Vor Monaten schon hat der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft im Bundestag einen laufenden Tagesordnungspunkt zur Covid-19-Pandemie beschlossen, was nur in Ausnahmesituationen der Fall ist. Ende September wurde dieser Tagesordnungspunkt um das Thema Afrikanische Schweinepest (ASP) erweitert. Und nun musste er erneut um das Thema Vogelgrippe erweitert werden, die mit ersten Funden der hochpathogenen Virusvariante (HPAI) H5N5 bei Wildvögeln auch in unserem Land zurück ist und z. B. in den benachbarten Niederlanden auch bei Hausgeflügelbeständen nachgewiesen wurde. Zum Glück ist dieser Influenza-Virus-Typ für den Menschen ungefährlich, anders als H5N1, der 2006 zu einem schwerwiegenden Ausbruch auf Rügen geführt hatte. Trotzdem ist auch dies am Beginn des Vogelzugs eine beunruhigende Entwicklung mit schon jetzt eintretenden Problemen.

Diese Dynamik auf der Tagesordnung des fachpolitisch zuständigen Ausschusses zeigt einerseits, dass auch die Parlamente als zuständige Gesetzgeber viel daran setzen, nah an den aktuellen Problementwicklungen zu bleiben. Übrigens hat das oft die Linksfraktion initiiert. Nicht nur, um die parlamentarischen Debatten frühzeitig auf aktuelle Problementwicklungen zu lenken. Sondern auch um in diese Ausschussdebatten immer wieder auch Vertretende von Ressortforschungseinrichtungen, wie z. B. das Friedrich Loeffler Institut (FLI), zum direkten Informationsaustausch einzuladen. Dabei geht es nicht nur um interessante Tagesordnungen von Ausschusssitzungen als Selbstzweck. Leider steckt hinter dieser Dynamik eine sehr ernste Entwicklung. Denn diese Herausforderungen durch schwerwiegende Seuchenausbrüche bei Mensch und Tier kommen ja zu denen durch Klimawandel oder Verlust an biologischer Vielfalt noch oben drauf. Und es gibt Hinweise darauf, dass die letzten beiden Entwicklungen zu einem wachsenden Risiko der Ein- und Verschleppung von Infektionserregern beitragen. Das ist keine ganz neue Erkenntnis, aber die Hinweise verstärken sich und werden immer häufiger erlebbar.

Aber nicht nur die steigende Gefahr durch die Infektionserreger selbst ist alarmierend, sondern sie sind merklich Sand im Getriebe des aktuellen Wirtschaftssystems und der staatlichen Institutionen. Aktuell wird z. B. davon ausgegangen, dass 400.000 bis 500.000 Schweine schon jetzt nicht mehr oder nicht zeitgerecht geschlachtet werden können und ihre Zahl bis Weinachten auf über eine Million Schweine wachsen könnte. Grund sind vor allem Corona-Ausbrüche in der Belegschaft von Schlacht- und Verarbeitungsunternehmen, aber auch Restriktionen durch den ASP- Ausbruch in Brandenburg. Das ist einerseits ein Tierschutzproblem, denn die Schweine wachsen in der Zeit ja munter weiter und damit werden die Ställe noch enger und die Sauenhaltenden wissen auch nicht wohin mit den Ferkeln, wenn die Mastschweine nicht aus den Ställen kommen. Da die Tragezeit beim Schwein drei Monate, drei Wochen und drei Tage beträgt, ist eine kurzfristige Reaktion auf einen solchen Stau vor den Schlachthoftoren allerdings zwar nicht so leicht, andererseits ist die Krise auch systematisch: wenn es immer weniger, aber dafür immer größere Schlachtkonzerne gibt, wird das System anfällig für Störungen. To big to fail gilt eben nicht nur für Banken. Und die miserablen Entlohnungs-, Arbeits-, Unterbringungs- und Infektionsschutzbedingungen hinter den Toren dieser Schlachtkonzerne tragen zu akuten Personalengpässen bei. Wie auch die Tatsache, dass zu viele Schweine gehalten und damit auch geschlachtet werden müssen. Eine ähnliche Stautendenz vor Schlachthoftoren betrifft unterdessen auch das Geflügel, weil ein Schlachthof in den Niederlanden geschlossen werden musste und ein Viertel des in Deutschland gehaltenen Geflügels im Nachbarland geschlachtet wird.

Gerade aus Sicht der LINKEN darf aber nicht vergessen werden, dass Folge dieser dramatischen Gesamtentwicklung auch eine sich zuspitzende soziale Krise in der Landwirtschaft ist. Dabei hatte kürzlich erst das bundeseigene Thünen-Institut in einer Studie eine verheerende Armutsprognose vorgelegt – schon ohne diese Krise.

Auch die staatlichen Institutionen sind schon im Normalbetrieb auf Kante genäht. Auf dem Rücken dieser Beschäftigten werden die zusätzlichen Belastungen der Seuchenbekämpfung ausgetragen. Auch sie leisten extrem viel, um den Laden überhaupt am Laufen zu halten.

Die Ursachen für diese Entwicklung sind alles andere als neu und wurden gerade von der LINKEN schon lange thematisiert. Und gerade die sehr enge Verflechtung von ökologischen und sozialen Problemen und Krisen ist fester Bestandteil linker Programmatik und Gesellschaftskritik. Auch ein grün eingefärbter Kapitalismus wird bestenfalls Symptome lindern, aber die Krankheit nicht heilen. Deshalb ist manches Problem auch nur mittel- und langfristig zu lösen. Das aber als Ausrede zu nutzen, dass jetzt nicht oder nur zögerlich gehandelt werden könne, ist natürlich absurd. Denn gerade hier läuft die Zeit weg und es müssen kurzfristig die richtigen Weichen gestellt werden, die bestenfalls beides leisten: die akuten Probleme verringern und gleichzeitig die Tür für neue Wege und neue Strategien öffnen. Dazu gehört z. B. ein Anreizprogramm für all jene, die jetzt bereit sind, ihren Nutztierbestand zu reduzieren. Damit kann der Einstieg in ein sozial verträglich ausgestaltetes Umbauprogramm für eine flächengebundene Tierhaltung gelingen, das DIE LINKE schon lange fordert und auch im Bundestag beantragt hat. Darüber hinaus muss jetzt dringend Unterstützung in allen direkt und indirekt durch Pandemie, ASP und HPAI betroffenen Agrarbetrieben ankommen statt nur darüber zu reden. Denn mit jedem ortsgebundenen Agrarbetrieb, der jetzt aufgeben muss, kann nicht nur ein Stück Ernährungssouveränität verloren gehen oder Wertschöpfung und Arbeitsplätze in den ländlichen Räumen, sondern seine Flächen landen eher bei einem landwirtschaftsfremden Investor und Bodenspekulanten als beim Biobetrieb oder dem Junglandwirt in der Nachbarschaft. Und das muss verhindert werden.