Das Agrarstatistikgesetz ist die einheitliche Rechtsgrundlage für den Agrarteil der Bundesstatistik. Das Gesetz wurde zuletzt im Jahr 2012 geändert und muss nun erneut an EU-Vorschriften angepasst werden. Das bezieht sich vor Allem auf das „Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch“. Es geht aber auch um Aktualisierung der Agrarstrukturerhebung aus Sicht der Agrarumweltpolitik, die Erhebung des Baumobstanbaus soll vereinfacht und die Rebflächenerhebung angepasst werden. Die Vorschläge des Bundesrats hat der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen größtenteils aufgegriffen.
Hört sich also gut und wenig spannend an und ist auch so. Eigentlich. Denn einige überfällige Änderungen zeigen, wie schnell scheinbar harmlose Regelungsdetails zu grobem Unfug und falschen statistischen Aussagen führen.
Ein Beispiel: Bisher wurde beim Mastgeflügel der Tierbestand an einem Stichtag erhoben. Falls genau an diesem Tag der Stall wegen der Reinigung vor Neueinstallung nach dem „Alles Rein- alles Raus-Prinzip“ leer stand, entfiel für diesen Betrieb nicht nur die aktuelle Berichtspflicht, sondern er fiel komplett aus der Statistik. Wegen statistischer Nicht-Existenz wurde er auch nicht mehr kontrolliert. Diese Absurdität wird jetzt korrigiert durch die Erfassung der Haltungsplätze. Egal, ob sie aktuell besetzt sind oder nicht.
Dieses Beispiel zeigt, dass Statistik alles andere ist als irrelevant und tröge.
Leider hat die Statistik als Wissenschaft ein schlechtes Image. Sie ist vielen suspekt, weil sie ihr Regelwerk nicht durchschauen. Das gilt zwar für viele Wissenschaftsdisziplinen, aber hier nährt es Misstrauen, weil sie gleichzeitig als manipulierbar gilt und ja auch in der Realität nicht selten missbraucht wird. Das untergräbt in der Summe ihre Autorität und den Wert statistischer Analysen. Das wiederum ist fatal, denn gerade in der Politik sind wir auf objektive Bewertungen von Daten dringend angewiesen, sollen sie nicht auf Datenfriedhöfen landen und ihre Erfassung damit Alibi bleiben. Wir brauchen verlässliche statistische Analyseergebnisse, um Problemsituationen und ihre Ursachen exakt erkennen oder die Folgen politischer Entscheidungen bewerten zu können.
Voraussetzung für belastbare Ergebnisse ist aber zwingend, dass erstens geeignete Daten erhoben und dass sie zweitens mit geeigneten Methoden analysiert werden. Beides ist leider oft nicht der Fall und deshalb sind auch immer wieder politische Entscheidungen auf dieser Basis falsch.
Ein Beispiel. Wir wollen und müssen aus Klima- und Artenschutzgründen das Grünland erhalten. Wer aber Durchschnittswerte zum Grünlandanteil für große Zeiträume und große Regionen zur Bewertung der Situation nutzt, wird dramatische Entwicklungstendenzen innerhalb dieses Zeitraums oder in Teilregionen übersehen.
Ein anderes Beispiel. Wir wollen die biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft erhalten. Wer auf positive Bestandsentwicklung der Kraniche schaut, wird beruhigt sein. Gleichzeitig senden dramatische Verluste bei bisherigen Allerweltsarten wie Sperling oder Feldlerche Alarmsignale.
Aus Sicht der Linksfraktion ist die Agrarstatistik also ein wichtiger und fahrlässig unter- oder absichtsvoll überschätzter Baustein der Agrarpolitik. Der Bundestag beschäftigt sich eher zu selten als zu oft mit statistischen Analysen. Selbst der Agrarbericht erscheint nur noch alle 4 Jahre, weil das die Union-FDP-Koalition so beschlossen hat. Deshalb steht er auch im Parlament nur noch einmal pro Wahlperiode auf der Tagesordnung. DIE LINKE war für einen zweijährigen Turnus, um auf Problemsituationen schnell reagieren zu können. Ich halte das nach wie vor für richtig.
Und leider werden in ihm auch längst nicht alle aus LINKER Sicht agrarpolitisch interessanten Daten erhoben. Aktuelle Tendenzen der Umverteilung des Bodeneigentums in immer weniger Hände mit schwarzen Geldkoffer ahnen wir bestenfalls. Aber politisch so brisante Entwicklungen sollten wir genau kennen. Auch über die Zusammensetzung landwirtschaftlicher Einkommen wissen wir zu wenig. Spannend wäre auch die Analyse der Entwicklung von Agrargenossenschaften und ihrer Funktion in den Dörfern. Sie werden absichtsvoll in der Kategorie „juristische Personen“ versteckt. Sonst würden sie noch als soziale, ökologische und demokratische Alternative zur Enteignung von Familienbetrieben durch den Markt entdeckt.
Deshalb: Statistik wird zum spannenden Krimi, wenn man mit der Frage beginnt: wem nutzt sie?
Die Debatte: 141106_TOP 10_Agrarstatistik_18_18063