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!! ACHTUNG!! DIESE SEITE WIRD NICHT MEHR AKTUALISIERT. Bitte wenden Sie sich mit Ihren Anliegen nach dem Ende des Mandats von Dr. Kirsten Tackmann am 26.10.2021 an die aktuelle Linksfraktion im Bundestag. Für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und konstruktive Kritik der vergangenen 16 Jahre möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken.

„…immer weniger Molkereien werden immer größer und immer mächtiger. Deshalb ist eine der Forderungen der Linken die Stärkung der Milcherzeuger am Markt. Nur dann können sie sich dem ruinösen Preisdumping der Verarbeiter und des Handels entziehen und die Milch schonend für Kühe und Umwelt produzieren.“

Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Milch ist gesund. Das behaupten zumindest viele. Aber die Milcherzeugerbetriebe sind alles andere als gesund, und zwar schon eine ganze Weile. Vor allen Dingen 2009 gab es viele Proteste gegen viel zu geringe Milchpreise. Sogar Milchbäuerinnen belagerten einige Tage das Kanzleramt. Im Durchschnitt gab es damals 25 Cent pro Liter, vielfach sogar noch deutlich weniger. Gefordert wurden aber 40 Cent, um die Produktionskosten ausgleichen zu können. Im vergangenen Jahr gab es zumindest im Durchschnitt schon einmal 37 Cent, so viel wie noch nie nach der Wiedervereinigung. Erstmals bekamen sogar die Kühe in Ost und West für ihre Arbeit das gleiche Gehalt.

(Beifall bei der LINKEN ‑ Rainer Spiering (SPD): Das finde ich gut!)

Aber der schöne Schein trügt ein wenig; denn kostendeckend ist auch dieser Preis immer noch nicht. Die großen finanziellen Verluste aus den Krisenjahren konnten damit nicht ausgeglichen werden. Der Spielraum für existenzsichernde Löhne, Investitionen in mehr Tierwohl oder bessere Arbeitsbedingungen ist immer noch sehr begrenzt. Die großen Preisschwankungen am Markt, die gerade schon einmal Thema waren, sind ein erhebliches Betriebsrisiko. Auch die steigenden Bodenkauf- und -pachtpreise sind eine zusätzliche finanzielle Belastung für die Betriebe. In Ostdeutschland steigt der Bodenpreis ausgerechnet deshalb, weil ehemals volkseigene Flächen zum Wohle des Bundesfinanzministeriums meistbietend verkauft werden. 400 bis 500 Millionen Euro jährlich fließen so in die große Bundeskasse. Ich finde das einfach unanständig.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu niedrige Milchpreise zwingen immer mehr Betriebe zur Aufgabe. 2009 wurde erstmals die magische Grenze von 100 000 Milchviehbetrieben unterschritten. 2012 waren es sogar nur noch 85 000. Gleichzeitig stieg die durchschnittliche Größe der Milchviehherden von 43 auf 49 Kühe. Der Gesamtkuhbestand stagnierte zwar knapp oberhalb von 4 Millionen, aber die durchschnittliche Milchleistung stieg wiederum. Unter dem Strich gibt es also immer mehr Milch. Aktuell sind es 22 Prozent mehr als der heimische Milchdurst. 2002 waren es nur 14 Prozent mehr.

Eine boomende, sich gesundschrumpfende Branche, könnte man meinen. Aber vor Ort wird mir oft gesagt: Ohne den Erlös aus der Biogas- oder Photovoltaikanlage hätten wir die Kühe längst abschaffen müssen. ‑ Insofern stellt sich die Frage: Warum ist denn das so? Die EU hat gerade eine interessante Studie dazu veröffentlicht. Sie benennt als ein Problem die Gewinnverteilung in der Milchproduktion zugunsten der Verarbeitungsindustrie. Das ist eigentlich auch kein Wunder; denn immer weniger Molkereien werden immer größer und immer mächtiger. Deshalb ist eine der Forderungen der Linken die Stärkung der Milcherzeuger am Markt. Nur dann können sie sich dem ruinösen Preisdumping der Verarbeiter und des Handels entziehen und die Milch schonend für Kühe und Umwelt produzieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir unterstützen zum Beispiel Erzeugergemeinschaften oder auch Produktionsgenossenschaften. Solche gibt es übrigens auch in Bayern. Das ist eine Meldung vom 2. April, nicht vom 1. April. Insofern geht es da also durchaus voran.

Darüber hinaus ist wichtig, dass die Milchmenge flexibler an die Nachfrage angepasst werden kann. Das sieht auch eine Studie im Auftrag des European Milk Boards so. Darin wurde übrigens festgestellt, dass die reale Einkommenssituation der Milchbetriebe trotz vieler Strukturmaßnahmen in den letzten 20 Jahren nicht verbessert worden ist. Das gilt auch für große Milchbetriebe, die zwar etwas höhere Einkommen, aber eben auch eine größere Verschuldung aufweisen. Fazit der Studie: Die Landwirte müssen die Menge der produzierten Milch flexibler an die Nachfrage anpassen können. Dazu wird ein selbst organisiertes Regulationssystem gebraucht, bei dem die Milchviehbetriebe dann aber auch wirklich ein ernsthaftes Wort mitreden können.

Ganz wichtig ist: Aus dem Liter Milch muss mehr Wertschöpfung generiert werden. Das heißt: mehr Veredlung und nicht Verramschen auf dem Weltmarkt. Das heißt: mehr regionale Verarbeitung und Vermarktung. Das heißt aber auch: Verbot täuschender Kennzeichnung. Wenn Brandenburg auf der Milchverpackung steht, muss die Milch auch von Brandenburger Kühen sein. Wenn Weidemilch draufsteht, darf keine Stallmilch drin sein.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

 

Hier der Videomitschnitt und das Plenarprotokoll der Plenardebatte.