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!! ACHTUNG!! DIESE SEITE WIRD NICHT MEHR AKTUALISIERT. Bitte wenden Sie sich mit Ihren Anliegen nach dem Ende des Mandats von Dr. Kirsten Tackmann am 26.10.2021 an die aktuelle Linksfraktion im Bundestag. Für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und konstruktive Kritik der vergangenen 16 Jahre möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken.

Tagesordnungspunkt 37 f) Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Marktkonzentration im Agrarmarkt stoppen – Artenvielfalt und Ernährungssouveränität erhalten

Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste!

Ich möchte den zweiten Punkt, der hier heute zur Debatte steht, nämlich die Marktkonzentration im Agrarmarkt, zum Thema meiner Rede machen. Das ist aus Sicht der Linken ein besonders wichtiges und ernsthaftes Thema. Die Megafusion von Bayer und Monsanto ist eben nur ein Beispiel, wenn auch ein besonders bedrohliches, ehrlich gesagt. Die rasant wachsende Konzernmacht gibt es unterdessen aber auf allen Stufen der Lebensmittelproduktion. Sie ist eine sehr reale Bedrohung für die ortsansässigen Landwirtschaftsbetriebe. Zuerst verlieren sie direkt oder indirekt Agrarflächen an Agrarkonzerne, die in ebenso unsichtigen wie bestens vernetzten Strukturen bundes- oder auch weltweit agieren. Die inzwischen insolvente Heuschrecke KTG mit ihren über 90 Tochtergesellschaften ist nur ein Beispiel dafür. Dass nach ihrer Insolvenz die Flächen nicht wieder bei der ortsansässigen Landwirtschaft gelandet sind, sondern bei der nächsten Heuschrecke, sagt auch sehr viel über das falsche System. Das können wir doch nicht dulden.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber auch beim Saatgut, bei Düngemitteln, beim Pflanzenschutz, bei Schlachthöfen oder bei Molkereien stehen die Landwirtschaftsbetriebe immer öfter einer Konzernübermacht gegenüber, die zunehmend mehr als der Gesetzgeber bestimmt, was auf Feldern und in Ställen passiert, vom Lebensmitteleinzelhandel einmal ganz zu schweigen. Hier kaschieren nur noch die unterschiedlichen Namen der Supermärkte, dass dahinter nur vier große Ketten stehen. Das ist doch eine bedenkliche Entwicklung und aus unserer Sicht, aus Sicht der Linken nämlich, ein Systemfehler.

(Beifall bei der LINKEN)

In der sogenannten freien Marktwirtschaft heißt das Erfolgsprinzip nicht soziale oder ökologische Verantwortung, sondern Maximalprofit um fast jeden Preis. Der wird unterdessen natürlich am leichtesten mit erpresserischer Marktübermacht durchgesetzt; das ist doch klar. Die Konzerne sind die Profiteure des Modells des bedingungslosen „Wachse oder weiche“, und das wird uns dann auch noch als Erfolg dargestellt. Aber auch ein Tumor wächst, und man würde nie auf die Idee kommen, das für gut zu befinden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Verliererinnen und Verlierer dieses Systems sind wir alle; denn diese Konzerne sind doch keine gemeinnützigen Vereine. Deswegen sagt die Linke ganz klar: Ihnen dürfen wir nicht überlassen, was auf unseren Tellern landet.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihr Geschäftsmodell nimmt die Ausbeutung von Mensch und Natur billigend in Kauf, und die Zeche dafür zahlen wir am Ende alle. Deshalb wollen wir Linken gerade bei der Versorgung mit Lebensmitteln keine erpresserische Abhängigkeit von Konzernen. Verlierer wäre übrigens auch die Politik, die erpressbar wäre von Strukturen, die „too big to fail“ sind, wie bei den Banken. Das wollen wir Linken verhindern.

(Beifall bei der LINKEN)

Konzerne sollen nicht darüber bestimmen können, welche Lebensmittel wie produziert werden, was sie kosten und wer den Zugang zu ihnen hat. Die Konzernübermacht muss beendet werden. (Beifall bei der LINKEN) Vor ihr zu kapitulieren und beim Wachsen nur noch zuzusehen, ist aus unserer Sicht völlig unverantwortlich. Deswegen ist für uns als Linke hier Widerstand Pflicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen dafür ein breites Bündnis auf den Straßen und den Plätzen, aber auch in den Parlamenten. Die Megafusion von Bayer und Monsanto kann und muss verhindert werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber es geht eben um mehr als diese Fusion. Wer eine Landwirtschaft will, die mit Respekt vor Mensch und Natur wirtschaftet und trotzdem von ihrer Arbeit leben kann, darf sie nicht von Gewinnen und Aktienständen von Konzernen abhängig machen. Das gilt ausdrücklich weltweit; denn die Folgen dieser Konzernübermacht sind in den ärmeren Regionen der Welt noch viel verheerender als bei uns. Insofern greift aus unserer Sicht der Antrag der Grünen zu kurz; denn die Kritik an der Megafusion von Bayer und Monsanto, von Dow und DuPont, von ChemChina und Syngenta darf sich nicht auf die Folgen für Umwelt und Ernährungssouveränität beschränken. Es müssen auch die sozialen Folgen thematisiert werden, wie etwa die wachsende Armut aufgrund existenzieller Abhängigkeit von solchen Strukturen. Das gilt nicht nur, aber eben auch für die Landwirtschaft. Zum Pflanzenschutz, dem zweiten Thema dieser Debatte. Ja, die besonders bienengefährlichen Wirkstoffgruppen, wie zum Beispiel Neonikotinoide, müssen aus linker Sicht verboten werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber Pflanzenschutzmittel sind nur ein Teil des Problems; denn die Bestäuber und ihre wildlebenden Verwandten haben mehr Probleme als Pflanzenschutzmittel. Sie sind nicht nur besonders wichtig, weil sie die Nutzpflanzen bestäuben, sondern auch, weil sie eine sehr wichtige ökologische Rolle spielen. Deswegen ist es auch im Interesse der Landwirtschaft selbst, eine insektenfreundliche Bewirtschaftung der Flächen vorzunehmen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Rainer Spiering [SPD])

Dabei geht es wirklich nicht nur um die Honigbiene, sondern auch um die wildlebenden Bestäuber. Wir brauchen also eine insektenfreundliche Landwirtschaft. Viele Betriebe sind da längst auf dem Weg mit Blühstreifen, mit Randgestaltungen von Feldern, von Wäldern und von Gewässern – dies übrigens, obwohl auch manche hier in diesem Saal es immer noch ignorieren, dass wir da ein Problem haben. Aber wir müssen die Betriebe bei diesen Maßnahmen besser unterstützen. Wir müssen ihnen die Maßnahmen dann auch erleichtern, und zwar aus unserer Sicht auch durch mehr Forschung. Denn am Ende steht die Aufgabe – das ist eigentlich die spannende Debatte –, dass Insektenfreundlichkeit und Ertragssicherung nicht gegeneinander stehen. Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)