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!! ACHTUNG!! DIESE SEITE WIRD NICHT MEHR AKTUALISIERT. Bitte wenden Sie sich mit Ihren Anliegen nach dem Ende des Mandats von Dr. Kirsten Tackmann am 26.10.2021 an die aktuelle Linksfraktion im Bundestag. Für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und konstruktive Kritik der vergangenen 16 Jahre möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken.

Für einen Perspektivenwechel hin zu Vorbeugung und Vermeidung von Krankheiten

Dr. Kirsten Tackmann, Rede Tiergesundheitsgesetz, 28.02.2013, TOP 14

14.a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen (Tiergesundheitsgesetz – TierGesG) > Drucksache 17/12032 < Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss)> Drucksache 17/… <
14.b)
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Notfonds für tierhaltende Betriebe einrichten > Drucksachen 17/9580, 17/10663 <

Lesen Sie die gesamte Debatte: 130228_Debatte_Tiergesundheitsgesetz_17225

 

Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste, herzlich willkommen zu später Stunde! Die Linke fordert schon lange, dass die Tiergesundheit ein strategisches Ziel der Gesetzgebung wird. Deswegen finden wir es richtig, dass das Tierseuchengesetz heute zu einem Tiergesundheitsgesetz fortentwickelt wird. Wir brauchen den Perspektivenwechsel von einem Krisenmanagement- und Kontrollsystem hin zu mehr Vorbeugung und Vermeidung von Krankheiten; da sind wir uns völlig einig. Dass mit dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht nur eine Überschrift geändert, sondern tatsächlich in der Substanz etwas vorgelegt wird, finden wir sehr erfreulich.

Das ist auch volkswirtschaftlich wichtig und notwendig. Ich möchte ein Beispiel nennen: Allein in den Jahren zwischen 2000 und 2010 hat die Bekämpfung von BSE über 2 Milliarden Euro gekostet.

(Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Genau!)

Das ist eine erhebliche Summe; deswegen ist es gut und wichtig, Tiererkrankungen zu vermeiden.

Die Tiergesundheit ist aber – da bin ich dem Kollegen Priesmeier sehr dankbar – mehr als die Abwesenheit von Tierseuchen. Wir müssten uns zum Beispiel auch viel mehr um Faktorenerkrankungen kümmern. Es geht nämlich nicht nur um die klassischen Erkrankungen, es geht oftmals auch um chronische und andere Erkrankungen, die nur ausbrechen, wenn bestimmte Faktoren zusammenkommen.

Deswegen hätten Sie in diesem Gesetzentwurf eigentlich mehr Dinge verankern müssen. Es ist durchaus zu bedauern, dass das nicht geklappt hat. Das gilt zum Beispiel für die Tierdichte. Welchen Einfluss hat die Tierdichte sowohl in Ställen als auch in Regionen auf die Tiergesundheit? Das gilt aber auch für die Stallhygiene, für das Stallklima und für Betreuungsstandards.

(Beifall bei der LINKEN)

Die integrierte tierärztliche Betreuung hätte man in diesem Gesetzentwurf festschreiben können. Dort hätte man auch regeln können, wie häufig sich ein Tierarzt einen Bestand vor Ort anschauen muss, und wir hätten darüber reden müssen, was wir bei der Ausbildung von Landwirtinnen und Landwirten sowie Tierärzten und Tierärztinnen zu leisten haben, damit sie mit dieser neuen Situation klarkommen. Daneben müssen die entsprechenden Behörden wirklich ausgebildetes Personal haben. Diese Dinge sind ganz dringend erforderlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben auch einen Regelungsbedarf in Bezug darauf ‑ das haben wir ja vorhin in der Debatte über das Arzneimittelgesetz schon einmal diskutiert ‑, dass die Durchsetzungskraft in Bezug auf behördliche Verfügungen und Ähnliches gestärkt wird, und auch die Tierärzte müssen gestärkt werden, damit die problematischen Dinge, die sie im Stall feststellen, auch wirklich verändert werden. Das heißt also, wir brauchen eine gut ausgebildete Tierärzteschaft und gut ausgebildete Tierhalterinnen und Tierhalter.

Daneben brauchen wir risikoärmere Strukturen. Hier sehe ich einige Entwicklungen durchaus mit großer Sorge: Der Lebensmittelhandel übt einen enormen Kostendruck auf die tierhaltenden Betriebe aus. Das kann nicht gutgehen. Das Risiko von Tierseuchen steigt, zum Beispiel durch den Klimawandel, weil hier vektorübertragene Erkrankungen eine Rolle spielen, und durch die vielfältigen Handelsbeziehungen; denn wenn wir die Ferkel einmal quer durch Europa fahren, dann ist das ein Problem, dessen Auswirkungen auf die Tiergesundheit wir nicht abbilden können. Megaställe, über die wir vorhin schon einmal diskutiert haben, und viehdichte Regionen führen natürlich dazu, dass der Ausbruch einer Tiersuche verheerendere Wirkungen hat, als wenn andere Strukturen gegeben wären.

Daneben sind auch große Wissenslücken zu schließen. Es geht hier zum Beispiel um die vielfältigen Risiken eines Ausbruchs oder einer Verschleppung, die wir teilweise gar nicht genau kennen, und wir müssen auch die Bekämpfungsszenarien, die wir uns überlegen, wissenschaftlich prüfen lassen und entsprechend evaluieren.

Weil hierfür wirklich Fachkompetenz erforderlich ist ‑ das ist eine besondere Herausforderung ‑, fordert die Linke schon seit langem ein epidemiologisches Zentrum; das ist überfällig. Stattdessen schließen Sie Ende des Jahres 2013 das Institut für Epidemiologie des Friedrich-Loeffler-Instituts am Standort Wusterhausen und riskieren mit dem Umzug zur Insel Riems die Arbeitsfähigkeit dieses Standortes. Das ist aus meiner Sicht ein völlig falsches Signal und hätte eigentlich korrigiert werden müssen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die neuen Risiken setzen die Tierhaltungsbetriebe zusätzlich unter Druck. Deshalb hat die Linke einen Antrag für einen Notfonds für tierhaltende Betriebe vorgelegt. Das ist kein Rundum-sorglos-Paket, sondern es geht tatsächlich um Erkrankungen, die entweder noch nicht amtlich festgestellt sind oder bei denen noch ein wissenschaftlicher Streit darüber herrscht, welche Ursache sie haben. Wir reden über das Schmallenberg-Virus, wir reden über das Blutschwitzen der Kälber, und wir reden über den sogenannten chronischen Botulismus.

Aus meiner Sicht ist dieser Notfonds wirklich dringend erforderlich. Die Argumente der anderen Fraktionen gegen diesen Notfonds aus der ersten Debatte kann man wirklich gut widerlegen: Die klassischen Tierseuchenkassen handeln in einer entsprechenden Situation eben nicht adäquat, und wir haben keine Möglichkeit, Überbrückungskredite zu leisten. Die Versicherungslösung ist nicht finanzierbar; das wissen wir. Eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage haben Sie auch schon abgelehnt.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin Tackmann.

Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE):

Ja, ich komme zum Schluss. ‑ Deswegen bitte ich Sie wirklich dringend, diesem Antrag auf einen Notfonds für tierhaltende Betriebe zuzustimmen. Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)