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!! ACHTUNG!! DIESE SEITE WIRD NICHT MEHR AKTUALISIERT. Bitte wenden Sie sich mit Ihren Anliegen nach dem Ende des Mandats von Dr. Kirsten Tackmann am 26.10.2021 an die aktuelle Linksfraktion im Bundestag. Für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und konstruktive Kritik der vergangenen 16 Jahre möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken.

Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Herr Minister Schmidt, Sie haben zwei Schwerpunkte Ihrer Politik genannt: Agrarexporte und ländliche Räume. Aus Sicht der Linken ist der erste agrarpolitisch falsch, und der zweite findet sich leider im Haushaltsentwurf nicht wieder. Aber es gibt eben keine richtige Politik […]

Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE):

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Herr Minister Schmidt, Sie haben zwei Schwerpunkte Ihrer Politik genannt: Agrarexporte und ländliche Räume. Aus Sicht der Linken ist der erste agrarpolitisch falsch, und der zweite findet sich leider im Haushaltsentwurf nicht wieder. Aber es gibt eben keine richtige Politik mit falschem Haushaltsplan. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass Sie die richtigen Schwerpunkte setzen. Laut dem Fachmagazin Agra-Europe wollen Sie sich persönlich einbringen und versuchen, den Export in kaufkräftige Märkte voranzubringen. Aus Sicht der Linken lösen aber Agrarexportstrategien überhaupt keine Probleme, weder soziale noch ökologische – im Gegenteil: Es werden sogar neue geschaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das hilft weder den Empfängerländern noch den einheimischen Betrieben, zum Beispiel weil Dumpingpreise auf dem Weltagrarmarkt zum Dumpingeinkommen führen. Wir haben doch schon jetzt die Situation, dass landwirtschaftliche Einkommen gerade einmal 60 Prozent des Industrieniveaus erreichen, und das, obwohl ‑ rechnerisch ‑ 30 Prozent öffentliches Geld dazu beiträgt. Das ist inakzeptabel. Wochenmärkte, Landfleischereien, regionale Molkereien oder Bäckereien von nebenan können doch im internationalen Dumpingwettbewerb nicht mithalten. Herr Minister, das können Sie nicht auch noch unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die gesellschaftliche Akzeptanz der Landwirtschaft sinkt doch auch, wenn Milchkühe oder Schweine nicht mehr für die Versorgung in der Heimatregion gehalten werden, sondern für den Export nach China. Es ist ein Märchen, mit Agrarexporten würde der Welthunger bekämpft. Der Weltagrarbericht sagt eindeutig: Unser Beitrag gegen den Welthunger kann nur die Unterstützung der Landwirtschaft im globalen Süden sein – und nix anderes.

(Beifall bei der LINKEN)

Agrarexporte gehen außerdem auf Kosten der Umwelt und des Klimas, nicht nur wegen der Transporte. Wer mehr produziert, als er braucht, übernutzt Äcker und natürliche Ressourcen wie Wasser und Phosphordünger – völlig unnötig. Agrarkulturen wie Kartoffeln oder Rüben verschwinden von den Äckern, nicht, weil sie nicht gebraucht werden, sondern, weil sie nicht billig genug produziert werden können. Erkauft werden Höchsternten durch Höchstverbrauche von Pflanzenschutzmitteln. Auch das geht auf Kosten von Bienen und Pflanzenvielfalt. Also: Es gibt kein öffentliches Interesse an Agrarexporten. Deswegen darf es dafür auch kein öffentliches Geld geben,

(Beifall bei der LINKEN)

und zwar weder direkt noch versteckt hinter den Gehältern von Staatssekretären oder Beamten, die weltweit nach Absatzmärkten suchen.

Weil ich gerade dabei bin: Beim Freihandelsabkommen mit den USA, TTIP, muss sofort die Notbremse gezogen werden. Wir können doch nicht zulassen, dass Konzerne wie Vattenfall souveräne Staaten vor Schiedsgerichte zerren, um sie zum Beispiel wegen möglicher Gewinneinbußen durch verbesserte soziale oder ökologische Standards zu verklagen. Das wäre doch die absolute Kapitulation der Politik. Und deswegen macht die Linke da nicht mit.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir bleiben auch an anderen Stellen bei unseren Forderungen. Warum werden Gesetze nicht so verschärft, dass Bodenerwerb durch nichtlandwirtschaftliche Investoren zumindest erschwert wird? Warum wird noch immer ehemals volkseigener Boden in Ostdeutschland meistbietend zum Wohle des Bundeshaushaltes zum Schaden der vor Ort verankerten Betriebe verkauft? Warum bringen Sie nicht endlich die steuerfreie Risikorücklage auf den Weg? Das wäre Hilfe zur Selbsthilfe für die Landwirtschaft. Und: Warum gibt es nicht endlich einen Notfallfonds für tierhaltende Betriebe? Er hätte uns zum Beispiel im Falle des Blutschwitzens bei Kälbern oder der Blauzungenerkrankung bei Schafen geholfen.

Warum wird nicht endlich verlässlich Geld für die Umstellung der Landmaschinenflotte von fossilen auf selbstproduzierte pflanzliche Kraftstoffe zur Verfügung gestellt? Das wäre doch mal ein Beitrag zur Unabhängigkeit von Energiekonzernen.

Warum wird nicht endlich unser Vorschlag der Einrichtung eines Wolf- und Herdenschutzkompetenzzentrums aufgegriffen? Die Weidetierhalter wollen nicht nur für getötete Tiere entschädigt werden; sie wollen wissen, wie man Tierverluste verhindern kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber dabei brauchen sie Unterstützung. Das wäre richtig, gerade weil es gesellschaftlich gewollt ist, dass Isegrim zurückkommt, gerade weil Weidetierhaltung, wie wir gestern in der Anhörung gehört haben, der beste Grünlandschutz ist. Aber ausgerechnet diese Betriebe sind bisher die Verlierer Ihrer Agrarpolitik. Hier wird dringend Hilfe benötigt. Stattdessen werden diese Betriebe zusätzlich belastet, weil zum Beispiel die Beiträge zu ihrer Unfallversicherung extrem steigen ‑ wie übrigens auch bei den Kleinwaldbesitzern.

Was hat das mit Haushaltspolitik zu tun? Stolze 70 Prozent des gesamten Bundesagrarhaushaltes gehen in die landwirtschaftliche Sozialversicherung; der Minister hat es schon erwähnt. Auch hier müssen die öffentlichen Mittel im öffentlichen Interesse verwendet werden.

Es ist doch eine Binsenweisheit, dass die ländlichen Räume ohne eine starke regionale Landwirtschaft verlieren – und umgekehrt. Aber nach Ihrem Schwerpunkt „ländliche Räume“, Minister Schmidt, muss man im Haushalt leider mit der Lupe suchen.

Die Koalition will die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ zu einer Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Räume“ fortentwickeln. Nun gut! Aber das versprochene Plus von 200 Millionen Euro hat nicht einmal die Koalitionsverhandlungen überlebt. Nun sollen auch noch zusätzlich Hochwasserschutzmaßnahmen aus diesem Etat bezahlt werden, sagt die Umweltministerin. Also mehr Aufgaben mit weniger Geld? Offensichtlich ist das nicht wirklich ernst gemeint. Ich ärgere mich weiterhin, dass wir als Parlament zwar das Geld für diesen Fördertopf beschließen und zur Verfügung stellen, aber keinerlei Einfluss darauf haben, wofür das Geld ausgegeben wird, weil dies nur zwischen Länderregierungen und der Bundesregierung ausgehandelt wird. Diese parlamentsfreie Zone muss endlich abgeschafft werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Mein Fazit: Dem ersten Bundesagrarhaushalt der GroKo kann man eigentlich gar nicht ansehen, dass die FDP nicht mehr dabei ist. Ich denke, die SPD hat da einiges zu tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Rainer Spiering (SPD): Das Letzte war nicht nett!)

 

Die gesamte Debatte: TOP 10_Bundesagrarhaushalt_Plenarprotokoll 18_28 – 18028